Der Verrat
Mitsuyoshis kommt ungestraft davon, nur weil nicht Ihr selbst, sondern jemand anders darüber entscheidet, ob Schatzminister Nitta schuldig ist oder nicht?«
Aokis Worte waren beinahe gleichbedeutend mit der Beschuldigung des Hochverrats, die Sano möglicherweise anhaften blieb, sollte er sich weiterhin dem Urteilsspruch widersetzen. Deshalb gab er sich geschlagen und schüttelte resigniert den Kopf. Was für ein Pech, dass Aoki ausgerechnet in diesem Monat der verantwortliche Magistrat war und nicht Reikos Vater. Bei Magistrat Ueda hätten nicht persönlicher Ehrgeiz und das Streben nach Macht und Ansehen, sondern Vernunft und Gerechtigkeit den Vorrang gehabt.
»Wir werden nun die Zeugen hören«, verkündete Magistrat Aoki.
Sano hatte gemischte Gefühle. Sollte es Aoki tatsächlich gelingen, Schatzminister Nitta dessen Schuld nachzuweisen – was Sano nicht gelungen war –, wäre es eine bittere persönliche Niederlage für ihn. Auf der anderen Seite würde Aoki dem Gesetz entsprechend handeln, falls er Nitta tatsächlich als Mörder überführte, und Sano hätte nicht das Recht, sich zu beklagen. So sehr es ihm missfallen würde, das Gesicht ebenso wie die Wertschätzung des Shōgun zu verlieren, wenn Aoki das Rätsel um den Mord löste, so würde es doch zumindest bewirken, dass wieder Ruhe im bakufu einkehrte und er, Sano, vor weiteren Problemen bewahrt wurde, auch wenn sein Ruf darunter litt.
Einer der Schreiber rief: »Kacho, die Kurtisane aus Yoshiwara, wird hiermit aufgefordert, nach vorn zum Richtertisch zu kommen!«
Aus der vordersten Zuschauerreihe löste sich eine Frau, indem sie auf den Knien nach vorn rutschte und unweit des shirasu verharrte. Sano erkannte sie wieder: Sie war eine der Kurtisanen, die am Abend der Ermordung Fürst Mitsuyoshis die Teilnehmer an der Feier im ageya Owariya unterhalten hatten.
»Seid Ihr mit Schatzminister Nitta bekannt?«, fragte der Magistrat.
Die Frau verbeugte sich und antwortete schüchtern: »Ja, ehrenwerter Magistrat.«
»War der Schatzminister so sehr in Kurtisane Wisterie verliebt, dass er Monate im Voraus für ihre täglichen Dienste bezahlt hat, damit sie außer ihm keinen anderen Mann haben konnte?«
»Ja, ehrenwerter Magistrat.«
»Nehmt zu Protokoll, dass der Schatzminister ein eifersüchtiger Mann ist, der alles unternommen hat, um dafür zu sorgen, dass er Kurtisane Wisterie für sich allein hatte«, wandte Magistrat Aoki sich mit lauter Stimme an den Schreiber. »Die Zeugin ist entlassen. Ruft den nächsten Zeugen auf.«
Sano sah sich bestätigt. Es war richtig gewesen, dass er versucht hatte, gegen die Verhandlung Einspruch zu erheben, denn Magistrat Aoki hatte die Zeugin dazu missbraucht, seine eigenen Aussagen zu erhärten und Schatzminister Nitta als Mörder hinzustellen. Fast alle Gerichtsverhandlungen in Japan endeten mit einem Schuldspruch, und Aoki war offensichtlich darauf bedacht, dass es diesmal keine Ausnahme gab.
Der zweite Zeuge war der Besitzer des Owariya. Magistrat Aoki fragte ihn: »Hat Schatzminister Nitta seine Verabredung mit Kurtisane Wisterie auch in der Mordnacht eingehalten?«
Als der Besitzer verneinte, wollte Aoki wissen: »Warum nicht?«
»Weil der ehrenwerte Fürst Mitsuyoshi darum ersuchte, die Nacht mit Kurtisane Wisterie verbringen zu dürfen, und Schatzminister Nitta dieses Recht an ihn abgetreten hat, da es sich schließlich um den Erben des Shōgun handelte«, sagte der Besitzer.
»War der Schatzminister verstimmt? War er vielleicht sogar wütend, weil Fürst Mitsuyoshi ihm das Treffen mit jener Frau unmöglich gemacht hatte, die er geliebt hat?«
»Der ehrenwerte Schatzminister war sehr aufgebracht und wütend.«
»Nehmt zu Protokoll, dass Schatzminister Nitta verärgert war und dass sein Zorn sich auf das Opfer richtete, was beides schwerwiegende Gründe sind, die für seine Täterschaft sprechen«, sagte Magistrat Aoki.
Sano überkam der Wunsch, laut in den Gerichtssaal zu rufen, dass Aoki keinen einzigen neuen Beweis gegen Nitta vorgebracht hatte. Außerdem versuchte Aoki, einen Mann auf der Grundlage von Indizien zu überführen, die er, Sano, entdeckt und für unzureichend erachtet hatte.
»Wie lange war Schatzminister Nitta an dem Abend des Mordes im Owariya?«, wollte Aoki wissen.
»Mehrere Stunden, ehrenwerter Magistrat«, antwortete der Besitzer.
»Obwohl er die fragliche Nacht nicht mit Wisterie verbringen konnte, weil sie mit Fürst Mitsuyoshi in dem Gemach im ersten Stock war, wie Nitta
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