Der Verrat Der Drachen: Roman
Hand weg und sackte gegen Tallis.
»Fertig«, flüsterte sie schwach. Eine ganze Weile herrschte Stille, während Mailun und Irissa erst sie anstarrten, dann Rorc, der nun friedlich schlief. Mailun streckte eine zitternde Hand aus und fuhr mit einem Finger über die rosafarbene Narbe, die sich unter Shaans Berührung gebildet hatte.
»Er braucht viel Wasser und Ruhe, bevor er sich wieder bewegen kann«, sagte Shaan und versuchte, Tallis’ Hände von ihrer Taille wegzuschieben. »Lass mich aufstehen.«
Er erhob sich und half ihr, steif auf die Beine zu kommen. Sie fühlte sich schwindlig, aber der Druck hinter ihrem Brustbein war gewichen.
»Hier.« Tallis reichte ihr den Wasserschlauch.
Sie nahm ihn und trank trotz des warmen, etwas abgestandenen Geschmacks einen großen Schluck. Sie fühlte sich, als hätte sie seit einer Woche nichts getrunken. Dann schlurfte sie fort, um sich neben Asrith zu setzen und den Rücken in die Sanddüne zu schmiegen. Die Drachin lag mit um den Körper geschlungenen Hals zusammengerollt wie eine Katze da und schenkte Shaan keine Aufmerksamkeit; sie schlief anscheinend.
Erschöpft schloss Shaan die Augen.
»Mutter, hilf mir, einen Unterschlupf über ihm aufzubauen«, hörte sie Tallis sagen, und dann ertönten das Geräusch von Füßen, die sich im Sand bewegten, und das Klappern von Zeltpflöcken – und dann nichts mehr, als sie in den Schlaf hinüberglitt.
Als sie erwachte, war es später Nachmittag, und einen Augenblick lang war sie verwirrt, da sie nicht in den Himmel aufschaute, sondern die Unterseite einer Fellbahn vor sich sah. Unter ihrem Kopf lag ein zusammengelegtes Hemd, und neben ihr ertönte leises Atmen. Als sie den Kopf wandte, sah sie ihren Vater neben sich liegen; seine Augen waren noch geschlossen.
Tallis musste sie hergebracht haben. Sie stemmte sich langsam auf die Ellenbogen hoch, bis sie saß; das niedrige Dach des Zelts streifte ihr Haar. Sie konnte keine Drachen sehen, aber Irissa stellte gerade ein Bündel getrockneter Hölzer auf, um ein Feuer anzufachen, während Mailun aus alten Pfeilschäften einen Bratspieß zusammensetzte. Tallis war nicht weit entfernt damit beschäftigt, etwas zu häuten, das nach einer Mar-Ratte aussah.
Es war noch immer heiß; die Luft war trocken wie ein Ofen, aber Shaan fühlte sich so erfrischt, als wäre sie geschwommen. So gut hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen! Ihre Glieder waren voll angenehmer Trägheit; sie tappte aus dem Unterstand hervor und ging zu Mailun hinüber, um sich neben sie zu setzen. Sie gähnte ausgiebig und fragte: »Wie lange habe ich geschlafen?«
»Fast den ganzen Tag«, antwortetete Mailun. »Die Sonne geht in etwa zwei Stunden unter.«
Shaan rieb sich das Gesicht, griff nach einem Wasserschlauch und nahm einen großen Schluck.
»Nicht so viel!«, sagte Mailun scharf. »Hier gibt es kein Wasser, bevor wir einen Clanbrunnen erreichen.«
Shaan setzte den Schlauch ab und stöpselte ihn zu.
»Wie geht es dir?«, fragte Mailun. »Fühlst du dich besser?«
»Viel besser.« Shaan nickte.
Mailun band zwei kräftige Stöcke mit Bast zu einem Kreuz zusammen. »Der Sturm hat uns ein ganzes Stück von unserem Weg weggeblasen«, sagte sie. »Jetzt sind wir näher an den Landen der Jalwalah als an denen der Halmahda.«
Shaan ließ Sand durch ihre Finger gleiten. »Werden wir also unsere Richtung ändern?«
»Das kommt darauf an«, sagte Mailun. »Rorc möchte vielleicht immer noch zuerst die Halmahda aufsuchen – es wird leichter sein, mit diesem Clan zurechtzukommen.« Sie band noch ein Paar Stöcke zusammen. »Am Tempel des Kaa werden wir vorbeikommen, der gleich jenseits jener Dünenkette liegt.«
»Der Tempel?« Shaan sah die Dünen an.
»Ja, von hier aus ist es nicht weit.«
Shaan verspürte beinahe den Drang zu lachen. Also hatte sie geträumt und war in die Wüste hinausgewandert, und ein Sandsturm hatte sie hierher geblasen. Der Blick, den sie ihrer Mutter zuwarf, war voll freudloser Erheiterung über die Ausdauer sämtlicher Götter.
»Seltsam, nicht wahr?«, sagte Mailun leise.
Shaan verlor ihr kurzes Aufblitzen von Humor. »Nein, ich glaube nicht.«
Mailun schwieg eine Weile; dann sagte sie: »Ich war einmal dort, nicht lange nach meiner Herzensgefährtenzeremonie.«
»Warum?«
Ein Hauch von Kummer huschte durch die Augen der älteren Frau. »Frauen aus den Clans gehen dorthin, wenn sie ein Kind erwarten, angeblich, um Kaa zu ehren und ihn zu bitten, ihnen ihr Kind nicht
Weitere Kostenlose Bücher