Der Verrat Der Drachen: Roman
sollte, wenn sie ging. Er schien seine Kräfte jetzt hinzunehmen, aber würde er sie etwa dazu einsetzen, seine eigene Zerstörung voranzutreiben?
Sie saßen eine Weile da, während Karnits Körper verbrannte, bis auf irgendein unsichtbares Signal hin Mitglieder des Clans zurück in den Brunnen zu ziehen begannen. Da die Bedrohung durch die Sandstürme nun vorüber war, waren die Zelte aller Clans wieder draußen aufgeschlagen worden, und Shaan und Tallis holten ihre eigenen Zelte und bauten sie abseits der anderen auf.
Mailun entzündete ein Feuer, und sie saßen schweigend darum herum und garten ein Stück Fleisch über den Flammen. Rorc kehrte nicht lange danach zurück. Er wirkte etwas geistesabwesend.
»Hast du Hunger?«, fragte Mailun, als er sich hinsetzte.
»Nein. Ich habe bei den Baal gegessen.« Er sah zu Tallis hinüber.
»Ich habe gehört, was während der Zeremonie geschehen ist«, fuhr er fort. »Bis jetzt ist noch nie ein Ausgestoßener bei seinem Clan wieder willkommen geheißen worden.«
Tallis schwieg, und Rorc sagte: »Aber du glaubst, dass du es nicht verdienst.«
»Ich bin froh, dass alle Zweifel über Jared begraben sind«, sagte Tallis, »aber …« Er zuckte die Schultern, und die Bitterkeit in seinem Gesicht trat scharf hervor. »Vielleicht ist es zu spät.«
»Vielleicht«, sagte Rorc, »aber nimm dieses Geschenk an, solange du noch kannst.«
»Du meinst, solange wir hier sind«, sagte Tallis, und Rorc nickte.
»Was ist mit Hashmael?«, fragte Mailun.
»Er ist an Karnits Stelle zum Oberanführer der Clans gewählt worden – die Anführer haben ihre Versammlung abgehalten, nachdem Karnits Scheiterhaufen entzündet war –, und er hat geschworen, dass er den anderen raten wird, auf unser Angebot einzugehen. Wir werden in der Lage sein, die Clankrieger gegen Azoth zu führen.«
Es war vollbracht! Shaan hörte beinahe Sabuts befriedigtes Seufzen. Die Dinge begannen sich zusammenzufügen, und das bedeutete, dass sie sich der Aufgabe annehmen musste, die ihr aufgetragen worden war. Angst erfüllte sie, als ihr klar wurde, dass sie würde aufbrechen müssen – und wohin.
Tallis sah sie an. Er wusste es. Sie versuchte, ihn anzulächeln, aber ihre Lippen wollten kein Lächeln formen.
»Das ist gut«, sagte sie, »deshalb sind wir ja hier.«
»Ja.« Rorc nickte. »Ich werde bald eine Nachricht an Balkis schicken können. Es wird annähernd sieben Tage dauern, die Wüste zu durchqueren und zu ihm zu gelangen. Ich will nur hoffen, dass wir ihn erreichen, bevor Azoth entscheidende Schritte unternimmt.«
Balkis. Der Gedanke an ihn traf sie, aber sie durfte nicht an ihn denken. Um ihn zu retten, musste sie ihn verraten. Sie musste sie alle verraten. Traurigkeit erfüllte sie, aber sie kämpfte sie nieder, während ihre Mutter einen Topf Nonyu zubereitete, den sie sich alle teilen würden. Shaan kam zu dem Schluss, dass sie diesen Moment auskosten musste. Die Erinnerung daran würde sie lange Zeit aufrecht halten müssen.
Sie wartete bis ein paar Stunden vor der Morgendämmerung; dann stand sie auf, um Tallis zu wecken, aber er saß schon am erloschenen Feuer und wartete auf sie. Shaan hatte ihr Bündel mit, und so half er ihr, einen Wasserschlauch und ein bisschen Essen aus ihren mageren Vorräten zu holen. Sie taten alles, ohne ein Wort zu sagen; ihnen beiden war bewusst, dass Rorc und Mailun ganz in der Nähe schliefen. Dann verließen sie gemeinsam das Lager und gingen um den Rand des Brunnens herum.
Es war so kalt, wie es nur nachts in der Wüste sein konnte; das einzige Licht spendeten die hellen Sterne über ihnen. Der Himmel war klar, wolkenlos; eine gute Nacht, um zu fliegen. Sie gingen, bis sie um die Seite des Brunnens herumgelangt waren, so dass niemand sie sehen konnte. Dann blieb Tallis stehen; sein Gesicht bestand nur aus dem Schattenriss seines Kiefers und funkelnden Augen.
»Wenn du mich brauchst, komme ich«, sagte er.
»Ich weiß.«
Tallis schaute in den Himmel auf, und sie hörte ihn nach den Drachen rufen; der Klang der uralten Worte sang in ihrem Blut. Wie immer, wenn er die alte Sprache benutzte, spürte sie sie deutlich, wie ein Feuer, das sie anzog. Die Worte lagen in ihnen beiden, das Erbe ihres Vorfahren, aber sie glaubte nicht, dass sie je in der Lage sein würde, sie zu benutzen, wie er es tat. Wenn er sie aussprach, schienen sie aus seinem tiefsten Kern zu kommen, von Innen, als Teil von ihm. Arak-si , flüsterte Tallis in ihrem Geist.
Arak-ferish ,
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