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Der Verrat Der Drachen: Roman

Titel: Der Verrat Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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stehen. Ihr Atem ging in raschen Stößen, während ihre Kopfhaut plötzlich in demselben Gefühl, beobachtet zu werden, kribbelte, das sie früher am Tag in dem Tal empfunden hatte. Vorsichtig ging sie auf den Kreis dunklen Wassers zu. Keine Welle kräuselte seine Oberfläche, und ein fahler Schimmer von Sternenlicht wurde von dem spiegelglatten Wasser reflektiert. Veila stand am Rand; ihr ganzes Wesen zog sich vor Kälte zusammen.
    Zuerst dachte sie, der Umriss auf der anderen Seite des Teichs sei ein Stein, aber dann spürte sie etwas: jene unverkennbare Präsenz von Macht. Er saß in den Schatten und beobachtete sie; zwei dunkle Augen funkelten. Sie konnte keine Einzelheit bis auf seine massige Gestalt und diese Augen ausmachen.
    Sie atmete langsam ein, um sich zu beruhigen. »Welcher bist du?«, fragte sie.
    Er sagte eine ganze Weile nichts, und als er sprach, war seine Stimme tief und kalt, wie der Teich, wie ein Wald der Stille. »Einst hieß ich Vail«, sagte er.
    Sie verdrängte die Furcht aus ihrem Tonfall. »Bist du allein?«
    »Für den Augenblick.« Er lächelte und entblößte kantige, weiße Zähne. »Die anderen sind aber nicht fern.«
    Veila schluckte. »Wie nahe?«
    Er bewegte sich, und ein kleiner Stein hüpfte von ihm weg und fiel mit einem Aufspritzen in den Teich; kleine Wellen breiteten sich vom Ufer aus. »Ich habe nicht darum gebeten, geweckt zu werden«, sagte er. »Die Welt ist jetzt verändert. Mein Volk ist fort.«
    »Vieles hat sich verändert, während ihr geschlafen habt«, sagte sie, »aber manches ist wieder dasselbe. Euer Bruder, Azoth, ist zurückgekehrt. Er hat den Schöpferstein.«
    Vail rührte sich nicht. »Er wollte immer mehr, als ihm gegeben wurde.«
    »Ja«, sagte sie.
    »Du bist eine vom Volk meiner Schwester«, sagte er plötzlich mit einem seltsamen Unterton in der Stimme. War es Erheiterung oder etwas, wovor sie sich hätte fürchten sollen? Abneigung?
    »Was meinst du damit?«
    »Gedankenschauerin. Zwielichtkriecherin. Ich spüre euch aus weiter Ferne«, sagte er. »Ein kleines Stück von ihr ist in euch allen … Aber nicht so viel, dass es ihr Schaden zufügen könnte.«
    Veilas Herz klopfte schneller. Fortuse. Sie sammelte sich. Sie musste aussprechen, weswegen sie gekommen war. »Azoth«, sagte sie. »Er plant, uns alle zu versklaven. Er führt Drachen und Menschen in den Krieg. Ihr habt ihn schon einmal aufgehalten. Könnt ihr uns wieder helfen?«
    »Er hat den Stein«, sagte Vail leise, und in seinem Tonfall lag Sehnsucht, ein inniges Bedürfnis, das sie misstrauisch machte.
    »Ja, er hat ihn«, sagte sie, »aber vielleicht könnt ihr ihm den Stein wieder abnehmen. Ihr seid zu viert.«
    »Zu viert«, wiederholte er; seine Stimme war ein tiefes Grollen wie von einem unterirdischen Felssturz. »Einst waren wir zu fünft.«
    »Könnt ihr uns helfen?«, fragte Veila noch einmal. Er schwieg lange, und sie erschauerte in der feuchten Kälte der Senke. Nebel begann vom Teich aufzusteigen und machte ihre Sicht auf ihn noch verschwommener. Dann bewegte er sich plötzlich, trat aus der Dunkelheit ans Ufer des Teichs. Sie versuchte, sich ihm gegenüber ihre Furcht nicht anmerken zu lassen. Er war nicht größer als ein durchschnittlicher Mann, aber seine Massigkeit war überwältigend: Mächtige Schultern liefen in Arme aus, die enorm dick vor Muskeln waren; sein Hals war verkürzt und breit. Die Hände wären groß genug gewesen, ihr den Schädel zu zerquetschen. Er sah sie aus schwarzen Augen an, die in einem Gesicht mit flachen, breiten Knochen saßen. Er war die Berge, die Steine, die lebendig gewordene Erde. Ein schwacher Geruch nach feuchtem Gras und stehendem Wasser ging von ihm aus.
    »Ich erinnere mich an diesen Ort«, sagte er. »Die Bäume waren damals kleiner; einst schien hier die Sonne.«
    »Werdet ihr uns helfen?«, sagte sie.
    »Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, was die anderen tun werden«, sagte er ruhig, »aber der Weg steht fest. Es gibt nur einen Pfad, den wir je gekannt haben. Wir holen uns den Stein.«
    »Und wenn ihr ihn habt?«
    »Wird alles wie früher sein«, sagte Vail. »Keine Missetat bleibt ungestraft.«
    »Und was wird aus uns?«, fragte Veila. »Wenn ihr Erfolg habt?«
    »Es wird sein wie früher«, wiederholte er.
    Sie war sich nicht sicher, was er meinte. Beinahe nichts war über die Welt vor Azoths Herrschaft bekannt. Die Welt, in der alle Götter gemeinsam die Lande durchstreift hatten. Es war zu lange her; die Geschichten waren

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