Der Verrat Der Drachen: Roman
Beine und der Rücken taten ihr weh, und sie folgte Nilah langsam zurück in die Gemächer der Führerin.
Nilahs Gesicht war zu einer Maske der Gleichgültigkeit erstarrt, aber Shaan glaubte, dass es ein Ausdruck war, den beizubehalten sie große Anstrengung kostete. Lorgon und der Rest des Rats hatten sie bestenfalls von oben herab behandelt. Sie hatten kaum auf sie gehört. Alle Gespräche hatten sich auf die Bestrafung des Diplomaten aus den Freilanden konzentriert, der angeklagt war, Nilahs Mutter ermordet zu haben, und die angeblichen Angriffe durch Söldner aus den Freilanden auf Händlerkarawanen. Es war kaum von Azoth die Rede gewesen, und als Nilah ihn erwähnt hatte, war sie mit Leichtigkeit wieder dazu gebracht worden, sich Gedanken über die Freilande zu machen. Besonders Lorgon war dafür verantwortlich gewesen. Shaan war es zu einem gewissen Zeitpunkt schwergefallen, sich zu entscheiden, ob sie lieber ihm einen Tritt ins Gesicht versetzen oder Nilah so lange durchschütteln wollte, bis sie etwas gesunden Menschenverstand entwickelte. Es war kaum zu fassen, weshalb sie nicht erkannte, dass Lorgon sie wie ein zahmes Muthu an der Nase herumführte. Oder vielleicht wusste sie es, wusste aber nicht, wie sie dem Einhalt gebieten sollte? Oder hatte nicht den Mut dazu.
»Möchtest du, dass ich nach etwas zu essen schicken lasse?«, fragte Shaan, als sie in Nilahs Wohnzimmer traten.
»Ich bin nicht hungrig.« Nilah setzte sich aufs Sofa.
»Dann Wein?« Shaan goss ihr ein Glas ein, aber Nilah machte nicht den Versuch, es hochzuheben.
Sie zog die Stirn kraus, während sie aus dem Fenster starrte, und achtete gar nicht auf ihre Gehilfin.
Shaan gab auf. »Ich werde zurück in mein Zimmer gehen«, sagte sie und wollte das Zimmer verlassen.
»Sie haben keinen Respekt vor mir«, sagte Nilah. Shaan blieb stehen. Nilahs Blick war trostlos und erschöpft. »Nie haben sie welchen. Bemerkst du, wie Lorgon mit mir spricht? Er hätte es nicht gewagt, so mit meiner Mutter zu sprechen. Und jetzt, da Morfessa so oft abwesend ist, ist es noch schlimmer. Was hältst du von ihnen? Schildere mir deine Eindrücke.«
Shaan zögerte, und Nilah sagte: »Mach dir keine Sorgen darum, dass du mich kränken könntest.« Shaan stemmte eine Hand in die Hüfte. »Ich glaube, dass Lorgon dich für ein törichtes Kind hält, und es scheint drei andere zu geben, die mit ihm übereinstimmen. Die anderen fünf sind entweder unentschlossen oder zu schwach, ihm die Stirn zu bieten. Er reißt zu viel an sich, und du lässt es zu.« Sie hielt inne, als Nilah die Stirn runzelte.
»Fahr fort.«
»Ich glaube auch, dass du Dinge vor ihm rechtfertigst, wenn du es nicht müsstest. Du hättest dich weigern sollen, überhaupt etwas zu erklären, und ihm befehlen sollen, sich zu setzen.«
»Danke«, sagte Nilah, »aber erzähl mir nicht, was ich hätte tun sollen. Ich habe dich nach deiner Meinung gefragt, nicht nach deinem Rat. Dafür habe ich Morfessa.«
»Nun, der war nicht da«, sagte Shaan, und die junge Frau kniff die Augen zusammen.
»Du kannst jetzt gehen. Ich werde dich rufen, wenn du wieder benötigt wirst.« Sie ging ans Fenster und wandte Shaan den Rücken zu. »Weise auf dem Weg nach draußen jemanden an, mir etwas zu essen zu bringen.«
Shaan betrachtete den Rücken des Mädchens einen Moment lang und verließ dann die Zimmerflucht. Wenn die Dinge künftig so stehen sollten, dann sah sie wirklich keinen Grund, zu bleiben. Sie ging hinaus, vorbei an Nilahs Wachen, zurück in den zentralen Hof und durch ein Tor, das von einem nicht sonderlich wachen Posten im Auge behalten wurde.
Das Zimmer, das ihr zugeteilt worden war, lag in einem langgestreckten Gebäude an einem Hof, der von der Villa und den Gärten der Führerin durch eine hohe, dicke Mauer getrennt war, an der Rückseite des Palasts. Es gab dort auch ein Badehaus und ein Lagerhaus, und dahinter einen Obstgarten, der an die Außenmauer des Palasts gepflanzt war. Shaan konnte den Garten von ihrem Fenster aus sehen, und sie setzte sich aufs Bett und starrte die Obstbäume und den dunklen Himmel an. Sie fühlte sich ruhelos. Ihr Kopf war zu voll, schmerzte angesichts all dessen, was an diesem Tag geschehen war. Sie fühlte sich müde bis in die Knochen, konnte aber nicht zur Ruhe kommen. Sie hatte ihre Mutter kennen gelernt. Mailun war wirklich – und doch schien es unmöglich zu sein. Sie war von so vielen Gefühlen erfüllt: Enttäuschung, Wut, Erleichterung, Verwirrung. Sie
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