Der Verrat: Thriller (German Edition)
wird nicht passieren«, sagte sie. »Du bist Jimmys Patin, und sollte es dazu kommen, dann bist du diejenige, die sich um ihn kümmern wird. Er ist dir genauso nah wie seinem Dad, und du würdest richtig für ihn sorgen.«
Ich war so verblüfft, dass mir gar nichts zu sagen einfiel. Der Gedanke, Jimmy zu mir zu nehmen, wenn Scarlett etwas zustoßen sollte, war mir nie gekommen. Ich hatte angenommen, Joshus Eltern würden die Aufgabe übernehmen, wenn sie mit der Realität konfrontiert wären, dass es um ihr eigenes Fleisch und Blut ging, das keine Eltern mehr hatte. Oder dass Leanne die Verantwortung für einen Jungen übernehmen würde, der schließlich ihr Cousin war. Es war mir nicht in den Sinn gekommen, dass Scarlett von mir erwarten könnte, Jimmys Ersatzmutter zu werden, sollte sie sterben.
»Das würdest du, weißt du. Du würdest es besser machen, als du denkst«, sagte sie bestimmt.
»Ich? Aber ich habe doch keine Erfahrung und keinen Mutterinstinkt. Mein Gott, Scarlett, da wäre ja Joshu noch eine bessere Alternative.«
Sie lachte. »Dein Gesicht sagt alles. Du siehst total entsetzt aus. Ist schon gut, Steph. Ich werde dir nicht wegsterben. Simon sagt, ich werde es schaffen, und er dürfte es ja wissen.«
Das war ein ziemlich schwacher Trost. Es gab ja Gründe dafür, dass ich keine Kinder hatte, und sie hatten nicht nur damit zu tun, dass ich nicht in der Lage war, eine auf Dauer angelegte Beziehung aufrechtzuerhalten. Ich war aus freiem Willen kinderlos. Ich hatte nie Mutter werden wollen, hatte nie das Ticken der biologischen Uhr gehört und mein Leben ohne Kinder nie als unerfüllt betrachtet. Ja, ich konnte gut mit Jimmy umgehen. Aber das hieß nicht, dass ich mir wünschte, seine Mutter zu sein.
Trotzdem wollte ich jedoch nicht, dass Joshu Jimmys Ausweichlösung wäre, wenn Scarlett etwas zustieß. »Er wäre bei Leanne besser dran«, wandte ich ein. »Sie geht großartig mit ihm um. Und sie ist verwandt mit ihm.«
Scarlett schüttelte den Kopf. »Sie wird bald nach Spanien gehen. Ich will nicht, dass mein Junge unter Ausländern aufwächst, nicht, wenn er hierbleiben kann, wo er hingehört.«
»Sie kann doch aus Spanien zurückkommen, wenn nötig. Sie hat ihn sehr lieb, Scarlett.«
»Es geht nicht nur um Liebe«, antwortete sie und blieb hart wie Granit. »Es geht um Ehrgeiz und um Hoffnung und um Wünsche. Ich habe mich trotz einer lausigen Ausgangsposition und einer beschissenen Familie, die mich in den Dreck zu sich runterziehen wollte, so weit hochgearbeitet. Und obwohl Leanne ein ganz nettes Mädel ist – sie wird sich immer auf das einlassen, was leicht zu erreichen ist, und nicht das höchste Niveau anstreben. Sie ist schon eine Kämpferin. Aber sie versteht nicht, für welche Ziele es sich zu kämpfen lohnt. Was ich für Jimmy will, was ich mir für meinen Sohn erträume, ist, dass er bemerkenswert ist. Dass er unglaubliche Dinge tut. Und das wird er nie, wenn Leanne für sein Leben verantwortlich ist. Er würde lernen, sich einzurichten. Nur so wenig wie möglich zu tun. Aber du? Das steht auf einem ganz anderen Blatt, Steph. Außerdem wirst du ihn nie vergessen lassen, was ich geschafft habe. Wie weit ich gekommen bin.«
Ihre Worte verursachten mir ein unbehagliches, ungutes Gefühl. Ich wusste, dass Joshu schon bei dem bloßen Gedanken entrüstet sein würde. Leanne würde beleidigt und gekränkt sein. Und nur der liebe Gott wusste, was Jimmy davon halten würde, sollte es jemals zum Tragen kommen.
Aber Simon hatte gesagt, es würde nie geschehen. Simon hatte gesagt, ich würde sicher sein vor Scarletts verrückten Machenschaften. Leider war Simon kein Hellseher. Und am Ende der Woche war Scarletts Notfallplan schon ein Stück näher gerückt.
35
J oshu war tot. Ich hörte es im Radio. Es war schockierend, den Tag so zu beginnen. Schon bei der ersten Begegnung mit ihm hatte ich über die Drogen Bescheid gewusst, aber ich hätte niemals gedacht, dass sie ihn umbringen würden. Und doch kam es in den Morgennachrichten. DJ Joshu, Star der Londoner Clubszene, Ex des Fernsehstars Scarlett Higgins, war nach einer mutmaßlichen Überdosis gestorben.
Und ehrlich gesagt war ich verstimmt, gerade diese Nachricht zur gleichen Zeit zu hören wie der Rest der Welt. Scarlett rief mich fast jeden Tag an. Sie telefonierte wegen allerhand trivialer Kleinigkeiten, aber jetzt war etwas Wichtiges geschehen, und ich erfuhr es aus den Nachrichten. Ich weiß, zuerst und vor allem hätte ich an
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