Der Verrat: Thriller (German Edition)
Scarlett denken sollen, aber ich hielt ein paar Minuten an meinem Ärger fest, bis ich mein Ego beiseitelassen konnte und mir überlegte, wie sich diese Nachricht auf meine Freundin auswirken würde.
Das Leben, das er führte, hatte den Mann verändert, in den Scarlett sich ursprünglich verliebt hatte. Zu viele Drogen, zu viel Bewunderung, zu viel Feiern bis spät in die Nacht und zu viel Luxusleben hatten seine besseren Eigenschaften untergehen lassen. Er war zunehmend launisch, selbstgerecht und aggressiv geworden. In letzter Zeit hatte er sich zu jemandem gewandelt, der mich veranlasst hätte, die Polizei zu rufen, wäre er an meine Haustür gekommen.
Aber das alles löschte die Geschichte, die sie zusammen erlebt hatten, nicht aus. Scarlett hatte ihn lange Zeit wirklich geliebt. Er war der Vater ihres Kindes, und sie hatte ihm nie das Recht darauf abgesprochen, eine Rolle in Jimmys Leben zu spielen. Diese Nachricht war bestimmt niederschmetternd gewesen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, wie sehr es sie getroffen haben musste, so dass ihr Schmerz stärker war als ihre spontane Neigung, zum Telefon zu greifen und mir die Nachricht zu übermitteln.
Also machte ich mich auf und fuhr gen Norden. Sobald ich auf der Landstraße war, rief ich Scarletts Handynummer an. Leanne nahm ab. »Hi, Steph. Hast du es schon gehört?«
»Im Radio«, sagte ich. »Wie geht’s ihr?«
»Sie dreht durch«, sagte Leanne. »Im Moment ist sie in der Dusche.«
»Seit wann wisst ihr es?«
»Die Cops kamen vor zwei Stunden vorbei und brachten uns die Nachricht. Ich fand es ziemlich nett von ihnen. Ich meine, genau genommen ist sie nicht mehr seine nächste Verwandte. Aber offensichtlich wussten sie, wer er war.«
»Jemand, der ein Auge auf die PR hat, wollte nicht, dass die Daily Mail morgen früh mit ›HERZLOSE COPS LIESSEN MICH AUS DEM FERNSEHEN VON JOSHUS TOD ERFAHREN‹ titelt.« Zynisch, ich weiß, aber wahrscheinlich nicht weit von der Wahrheit entfernt.
»Wie auch immer. Die Hauptsache ist, sie musste es nicht durch Tratsch und Gerüchte erfahren.«
»Wie hat sie es aufgenommen?«
»Sie sah aus, als hätte man ihr einen Schlag versetzt. Sie blieben nicht lange. Ich machte ihr eine Tasse Tee und ließ sie einen Brandy trinken. Sie sagte nicht viel. Hat auch nicht geweint. Ich vermute, dass sie noch unter Schock steht. Für Jimmy war es gerade Zeit zum Aufstehen, deshalb sagte ich ihr, sie solle doch ’ne Runde schwimmen gehen, ich würde mich um ihn kümmern. Er sitzt vor dem Fernseher und isst sein Müsli, und sie ist noch nicht aus der Dusche gekommen. Ich bin froh, dass du angerufen hast, Steph. Ich hätte mich sonst gemeldet. Du kannst besser mit ihr umgehen als ich, wenn sie so aufgeregt ist.«
»Ich bin unterwegs. Kümmer dich um sie, Leanne. Lass Marina für den Rest des Tages mit Jimmy irgendwohin gehen. Und sag ihr, sie soll aufpassen, dass niemand von der Presse ihnen folgt. Die Überschrift in der Boulevardpresse ›JOSHUS SOHN GIBT SICH AHNUNGSLOS‹, das können wir gar nicht brauchen. Und sprich auch mit George.« Ich bezweifelte nicht, dass es nach dem ersten Schock Geschäfte zu machen gäbe. Obwohl ich mich nicht gerade darauf freute, Artikel zu schreiben, wusste ich schon, dass Scarlett in der Stimmung sein würde für »nur Steph kann das machen«.
Draußen vor dem Tor der Hazienda hatten schon wie gewohnt die Paparazzi ihr Lager aufgeschlagen; Reporter und Fotografen umgaben mich und brüllten mir entgegen wie Verrückte. Ich weigerte mich, ihnen ins Auge zu schauen, und konzentrierte mich darauf, versteinert auszusehen, bis ich drin war. Zu meiner Überraschung war ich nicht der einzige Neuankömmling. Als ich die Küche betrat, stand Dr. Simon Graham mit einer Tasse Kaffee an der Frühstücksbar. Er sah etwas unordentlicher aus als sonst, die Haare waren zerzaust und Wangen und Kinn mit einem Schatten von Bartstoppeln bedeckt. Sein Hemd sah auch nicht aus, als wäre es frisch von heute früh. Einen Moment hing ich einem argwöhnischen Gedanken nach, aber schon begrüßte er mich mit: »Ich bin sofort hergekommen, sobald die Polizei mit mir fertig war.«
»Die Polizei? Was hatte die Polizei mit Ihnen zu tun?« Ich ging auf die Kaffeemaschine zu. Da ich schon länger als zwei Stunden ohne Koffeindröhnung auf war, galt es, mich in Schuss zu bringen, bevor ich mich mit Scarlett abgeben musste.
Er seufzte. »Es scheint, dass die Drogen für Joshus Überdosis aus meiner Klinik
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