Der Verrat: Thriller (German Edition)
sie hinfahren. Aber vielleicht sollten wir das verschieben.«
»Nein, nehmen Sie sie mit. Je mehr Ablenkung, desto besser.«
Während ich noch sprach, kam Scarlett herein und brachte einen Anflug von Chlorgeruch mit. Ihre Augen wirkten hohl und leer, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Sie fiel mir um den Hals und klammerte sich an mich, so wie Jimmy das jetzt macht, wenn er mich den ganzen Tag nicht gesehen hat. Ich spürte den Atem in ihrer Brust erbeben. »Steph«, rief sie mit versagender Stimme. »Er ist nicht mehr da. Mein wunderbarer Junge. Er ist nicht mehr da.«
Ich klopfte ihr auf den Rücken und hielt sie an mich gedrückt. Ich wusste, es gab nichts zu sagen, ich musste nur abwarten.
Schließlich löste sie sich mit einem schluchzenden Seufzer aus meinen Armen. »Leanne sagte, du wärst hier, Simon«, sagte sie. »Ich hatte dich nicht erwartet.«
Er stand auf, ging auf sie zu und nahm ihre Hände in seine. »Es tut mir so leid, Scarlett. Es ist ein schrecklicher Schock für dich.«
Sie stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. »Ich dachte ja immer schon, dass es ein böses Ende nehmen würde mit ihm. Aber nicht so. Ich dachte, er würde durch sein Mundwerk Ärger kriegen, dass er einem bewaffneten Gangster blöd kommen würde. Oder durch seinen Schwanz. Dass er das falsche Flittchen vögeln würde. Ich hätte nie gedacht, dass es am Ende die Drogen wären.« Sie ließ Simons Hände los und sank auf einen Stuhl. »Kommst du, um dich zu vergewissern, dass ich zu meiner Chemo erscheine, Simon? Du machst dir Sorgen, ich könnte nachlassen und wegen Joshu aufgeben?«
Er lächelte. »Ich kenne dich besser, Scarlett. Und ich weiß, dass du niemand bist, der aufgibt. Ja, ich werde dich zu deinem Chemotermin fahren, sobald du fertig bist. Aber ich habe dir etwas zu sagen und wollte nicht, dass du es von anderen hörst.«
Sie hob die Augenbrauen. »Ich glaube, heute hab ich keine Lust auf noch mehr schlechte Nachrichten, Simon.«
Aber er sagte es ihr trotzdem. Ihr Gesicht wurde ganz schlaff und ausdruckslos, als ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde. Als er fertig war, herrschte ein schreckliches, kaltes Schweigen, bevor sie wieder sprach. »Der dumme kleine Scheißkerl«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Er dachte doch immer, er wüsste alles am besten.« Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter, und sie fasste danach und hielt sie fest. »Was soll ich bloß Jimmy sagen?« Sie schaute zu mir auf, mit einer Bitte in ihrem völlig offenen Blick.
»Ich bleibe bei dir«, sagte ich. »Wir sagen es ihm gemeinsam.«
»Würdest du das tun? Ach, Steph, was würde ich ohne dich machen?« Sie blinzelte eine Träne weg und stemmte sich hoch, wobei sie unsagbar erschöpft aussah. »Dann komm, Simon. Wir sollten fahren.«
»Soll ich mitkommen?«, fragte ich.
Sie blies die Backen auf und überlegte. »Könntest du hierbleiben und die Stellung halten? George wird mit dir sprechen wollen. Wir werden nämlich darauf reagieren müssen, und ich will nicht mit Fremden reden. Dann, wenn ich zurückkomme, können wir es Jimmy sagen.«
»Nach der Chemo wirst du dich nicht danach fühlen, es Jimmy zu sagen«, gab ich zu bedenken. Vernünftigerweise, wie ich meinte.
»Das weiß ich«, schlug sie zurück, denn für einen Augenblick überwältigte sie die Belastung. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Steph. Ja, ich werde mich beschissen fühlen. Aber ich kann es nicht aufschieben, bis ich mich danach fühle. Er muss es erfahren. Von allem anderen abgesehen ist er ein sensibler kleiner Kerl. Er wird bemerken, dass wir alle wie drei Tage Regenwetter herumlaufen. Er muss wissen, dass es einen guten Grund dafür gibt.«
Und ich glaubte, dass sie es packen würde. Mit Mumm und Entschlossenheit war sie so weit gekommen. Es gab keinen Grund, weshalb sie das jetzt nicht weitertragen sollte. Nur dass eben keine der alten Sicherheiten noch einen Halt zu bieten schien.
36
S obald Scarlett und Simon in seinem glänzenden Audi TT Cabrio abgefahren waren, sprach ich mit Maggie. Die meisten Paparazzi folgten ihnen, was das Leben für alle anderen leichter machte.
Maggie wusste, was ich von Joshu gehalten hatte, deshalb sprach sie erst gar nicht ihr Beileid aus. »Schätzchen«, sagte sie, »ich hab schon mit Georgie gesprochen. Die Mail will siebenhundertundfünfzig Worte exklusiv bis halb fünf. Yes! braucht fünfhundert Worte bis Donnerstag. Ich verhandle noch wegen der Exklusivberichte über die
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