Der Verrat: Thriller (German Edition)
beugte sich leicht hinunter, um mit Jimmy zu sprechen, nahm den Jungen an der Hand, packte seinen Rucksack und den Pass und entfernte sich mit schnellen Schritten. Stephanie hielt die ganze Zeit den Atem an. Als sie verschwanden, atmete sie mit einem leisen Stöhnen aus.
»Ist er das?«, fragte Vivian.
Stephanie runzelte die Stirn. »Ich bin wirklich nicht sicher. Ich glaube nicht, dass er es ist, aber … Ich weiß nicht, irgendwie sehen seine Bewegungen vertraut aus.« Verwirrt schaute sie zu der FBI-Agentin hoch. »Ich glaube nicht, dass es Pete ist, aber beschwören könnte ich es nicht.«
»Wie steht’s mit seinem Körperbau? Größe und Gewicht? Schauen Sie noch mal, Stephanie.« Vivian ließ den kurzen Ausschnitt erneut laufen.
Stephanie schien immer noch zu zweifeln. »Es ist schwer, sich in Bezug auf die Größe sicher zu sein. Er hat diesen Bauch, den Pete auf keinen Fall hatte, als ich ihn zuletzt sah. Aber sonst ist er schon so gebaut.«
Das reichte Vivian. Sie wusste sehr wohl, dass Zeugen zögern, jemanden zu identifizieren, wenn dies ihrer Meinung von Menschen widersprach, mit denen sie vertraut waren. Stephanie hatte lange gebraucht, um bei Pete Matthews als einem möglichen Täter anzukommen. Sie würde jetzt nicht plötzlich aufs Ganze gehen und mit dem Finger auf ihn zeigen. Eine mögliche Identifizierung war ein ziemlich guter Ausgangspunkt, fand Vivian. Wenn Detective Sergeant Nicolaides nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, dass Pete Matthews in Großbritannien war, würde sie Matthews sehr gern als Nummer eins auf ihre Verdächtigenliste setzen. Sei ehrlich, Viv, er ist im Moment dein einziger Verdächtiger. Sie drehte den Laptop herum, so dass er wieder ihr gegenüberstand. Es war Zeit, den Kurs zu wechseln.
»Was geschah, als Detective Nicolaides Pete sagte, er solle die Gedenkfeier verlassen?«
»Das fand ich erst viel später heraus«, antwortete Stephanie. »Ich wusste nur, dass Pete nicht in Brighton auftauchte. Und er wartete nicht auf mich bei Scarletts Haus, als ich hinkam, um meinen Wagen abzuholen. Ich dachte wirklich, dass er es endlich kapiert hätte. Ehrlich gesagt, ich dachte kaum an ihn.« Ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich wieder. »Es gab andere Dinge, die mir viel wichtiger waren als das, was in Petes Kopf vor sich ging.«
41
N ach Joshus Gedenkfeier konzentrierten wir uns alle wieder auf Scarlett und ihre Therapie. Die Chemo war fast vorbei, dann folgte eine kurze Strahlentherapie. Und dann kam wunderbarerweise die Entwarnung. Simon sagte ihr, die Behandlung sei erfolgreich gewesen, und obwohl sie in den nächsten fünf Jahren mit Tabletten weitermachen müsse, seien die Chancen gut, dass sie jetzt vom Krebs geheilt sei.
Wir feierten mit einem Festessen in der Hazienda. Es war eine kleine Party – Scarlett, Leanne, George und sein Partner, Marina, Simon und ich. Wir hatten zwei Köche vom Chinarestaurant am Ort angeheuert, die uns eine überwältigende Abfolge von Gerichten boten, nach denen wir alle nur noch ächzen konnten. Wir spülten alles mit Eimern Prosecco runter und tranken nach jedem Gang auf Scarlett. »Und mein neues Buch«, sagte sie bei dem dritten oder vierten Trinkspruch. »Jetzt, wo ich Entwarnung bekommen habe, können wir es doch veröffentlichen, oder, George?«
»Auf jeden Fall«, sagte er. »Ich weiß, dass Stephanie das Manuskript fertig hat. Und es liest sich sehr ergreifend, Mädels. Mit dem habt ihr euch selbst übertroffen.«
Leanne, die mehr getrunken hatte als wir anderen, gab ihrer Cousine einen saloppen Kuss auf die Wange. »Und zum ersten Mal in seinem jämmerlichen Leben hat Joshu das richtige Timing getroffen. Stimmt’s Scarlett?«
Einen Moment herrschte ein unheimliches Schweigen, während wir alle entsetzte Blicke tauschten. Dann sagte Scarlett: »Verdammt noch mal, Leanne, doch nicht hier vor Jimmy!«
Leanne machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber Simon unterbrach sie. »Wir sind hier, um die Zukunft zu begrüßen, nicht um über die Vergangenheit zu grübeln, Leanne. Lasst uns unsere Gläser erheben auf unsere großherzige Gastgeberin und ihren Sohn. Auf Scarlett und Jimmy!«
Das war die perfekte Ablenkung, und wir gingen alle dankbar darauf ein. Es war der einzige Augenblick, an dem etwas schiefging an diesem ansonsten sehr schönen, festlich begangenen Abend. Bald wurde Jimmy müde, worauf Marina ihn wegbrachte, bevor er widerspenstig werden konnte, und sie schaffte es wie durch ein Wunder, dass er
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