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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sie tatsächlich versuchen, mir auf das Grundstück zu folgen, aber die Vernunft siegte, und sie kamen nicht hinter mir hergestürmt. Als ich aus dem Wagen stieg, hörte ich noch, wie sie ihre Fragen hinter mir herriefen. Schrecklich.
    Die Küche war leer, und das Haus gab einem das Gefühl, als sei niemand zu Hause. Zu dieser Tageszeit war Jimmy im Kindergarten, aber Marina würde irgendwo sein und den Haushalt besorgen.
    »Hallo?«, rief ich. Meine Stimme kam wie ein Echo zu mir zurück. Kein Lebenszeichen im Wohnzimmer oder in den Gästezimmern. Ich ging weiter durch das Zimmer, das ich immer als Freizeitraum betrachtet hatte, und fragte mich, ob ich Scarlett im Pool finden würde, wo sie trotz ihrer Schmerzen unerbittlich auf und ab schwamm. Aber da war sie auch nicht.
    Das Fitnessstudio war ebenfalls leer. Doch als ich durch das Fenster in der Saunatür spähte, war sie da, nackt saß sie auf der obersten Bank zusammengekauert, den Kopf in die Hände gelegt. Ich trat zurück, bevor sie meine Gegenwart bemerken konnte, ging weiter in den Umkleideraum und zog mich schnell aus. Schon wollte ich nach einem Badeanzug greifen, dachte dann aber: Scheiß drauf. Jetzt trete ich ihr mal unter ihren Bedingungen entgegen.
    Scarlett hob kaum den Blick, als ich eintrat. Als sie sah, dass ich nackt war, trat ein kurzes, müdes Lächeln auf ihr Gesicht, und sie sagte: »Verdammt noch mal, es muss schlimm stehen, wenn du mir so zeigst, dass du auf meiner Seite bist.« Ihre Augen waren rot und verschwollen, und sie sah aus, als hätte sie abgenommen.
    Ich kletterte zu ihr hoch und legte den Arm um sie. Gott sei Dank war es da drin mal nicht zu heiß. Es kam mir eigenartig vor, mit einer anderen Frau zusammen nackt zu sein, aber nur, weil ich etwas scheu bin, was meinen Körper betrifft, besonders, wenn ich ihn mit einem eindrucksvollen Exemplar wie Scarletts vergleiche. »Es tut mir so leid«, sagte ich, und war mir bewusst, wie unzulänglich diese Worte waren. »Ich würde mich für dich aufopfern, wenn ich könnte.«
    »Ich würd’s zulassen.« Sie stöhnte. »Jimmy tut mir leid. Zuerst verliert er seinen Dad, und jetzt wird er seine Mum verlieren.«
    »Es ist doch sicher noch nicht entschieden? Es muss doch eine Therapie geben, die sie versuchen können?«
    »Simon kam gleich vorbei«, sagte sie. »Er wäre gestern Abend hier gewesen, statt sich auf eine Voicemail zu verlassen, aber eine seiner Patientinnen lag im Sterben, und er musste dortbleiben.« Sie seufzte. »Man kann nicht operieren. Es ist überall, Steph. In der Leber, der Bauchspeicheldrüse, dem Dickdarm, der Wirbelsäule, der Lunge. Ich bin ein wandelndes Krebsgeschwür. Sie können mich mit Chemo behandeln, aber das würde mir nicht mehr als ein paar Monate verschaffen, und es wären ein paar Monate, in denen ich mich beschissen fühle. Du weißt ja noch, wie es war.«
    »Was ist die Alternative?«
    »Keine Chemo. Nur Schmerzlinderung. So habe ich wenigstens ein bisschen Zeit mit Jimmy, in der ich nicht erbrechen muss oder mich zu müde fühle, um mich um ihn zu kümmern. Und ich brauche auch nicht ins Krankenhaus. Ich kann hier in meinem eigenen Zuhause bleiben bis zum Ende. Simon hat mir das versprochen. Ich werde ein paarmal in die Klinik gehen müssen zu Untersuchungen, aber das ist alles.« Sie sprach darüber, als sei es so unerheblich wie ein Besuch im Supermarkt. Ihre stoische Ruhe erstaunte mich.
    »Wenn du das willst«, sagte ich.
    Sie neigte den Kopf nach hinten und kniff die Augen zu. »Nichts davon ist das, was ich will«, rief sie. »Ich will leben. Ich will meinen Jungen aufwachsen sehen. Ich will nicht sterben.« Ihre Stimme versagte und auch ihre seelische Kraft. Tränen rannen unter ihren geschlossenen Augenlidern hervor, und ihre Lippen verzogen sich zu einer Grimasse der Angst. Ich legte ihr eine Hand auf den Kopf und zog sie an mich heran in meine Arme. Ich spürte, wie es mir die Kehle zuschnürte, und bald weinte ich lautlos neben ihr.
    Wir blieben eine Weile in der Sauna, schluchzend und schwitzend und waren einfach rührselig und unglücklich. Mit gutem Grund, muss man sagen. »Wo ist Marina?«, fragte ich schließlich.
    »Ich habe ihr gesagt, sie soll mit Jimmy für ein paar Tage irgendwohin fahren, Euro-Disney oder so. Nur bis der Wirbel sich ein bisschen gelegt hat. Ich muss mich zusammennehmen. Ich will nicht, dass er mich sieht, wenn mir so elend ist. Oder dass die Scheißkerle da draußen ihn jedes Mal schnappen, wenn er durchs Tor

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