Der Verrat: Thriller (German Edition)
Medien da rankamen. Es muss durch irgendjemanden in der Klinik durchgesickert sein.«
»Irgendein geldgeiles, egoistisches Schwein«, sagte ich. »Was ist passiert?«
»Sie hatte Rückenschmerzen …«
»Stimmt. Ich erinnere mich, an ihrem Geburtstag letzten Monat klagte sie darüber.«
»Richtig. Ihre Osteopathin konnte ihr nicht helfen und war besorgt, deshalb schlug sie vor, Scarlett solle einen Arzt aufsuchen. Der einzige Arzt, den sie so gut kennt, dass sie ihm vertraut, ist Simon Graham, also ging sie zu ihm. Und weil der Krebs immer Simons erster Gedanke ist, ließ er eine MRT-Aufnahme machen. Da zeigte sich die schockierende Wahrheit.«
»Mein Gott«, sagte ich. »Und wann war das?«
»Vor zwei Tagen. Simon ist sehr gründlich und bestand darauf, dass sie sich nicht aufregen solle, bis er weitere Untersuchungen gemacht hätte. Die Ergebnisse kamen gestern Nachmittag, und er versuchte, sie anzurufen. Sie nahm nicht ab, weil sie im Studio war. Also hinterließ er eine Nachricht auf Voicemail, dass das, was sie befürchtet hatten, tatsächlich zutreffe.«
»Das klingt verdächtig nach dem Zitat in der Zeitung.«
»Das sagte Scarlett auch. Sie ist überzeugt, dass jemand ihre Voicemail abgehört hat. Aber ich finde es wahrscheinlicher, dass eine Schwester oder eine Laborantin es mitbekam, als Simon die Nachricht hinterließ, und einen Journalisten bei der Herald angerufen hat. Solche Leute widern mich an«, sagte er und klang äußerst empört. »Sie kennen keine Grenzen der Geschmacklosigkeit und haben keinen Anstand. Die Frau hat ein Kind, Himmelherrgott!«
Mit seinem Zorn drängte er den Kummer in den Hintergrund. Männer wie George können ihren Schmerz nur so ausdrücken. Ich war ziemlich sicher, dass George genauso verstört war wie ich. Wie viel schlimmer musste es für Scarlett gewesen sein? Sie hatte sich durch so vieles durchgekämpft, aber dies war eine Schlacht, die sie nicht gewinnen konnte. »Wie geht’s ihr? Oder ist das eine blöde Frage?«
»Sie ist immer noch fassungslos, glaube ich. Ist es möglich, dass Sie zu ihr rüberfahren? Ich glaube, sie sollte wirklich jemanden bei sich haben, der sie gern hat. Ich kann hier nicht weg. Aber wenn Sie …«
»Das war mein erster Gedanke. Aber ich wollte Sie vorher fragen. Ich wusste nicht, ob sie vielleicht mit Jimmy allein sein will.«
George machte ein merkwürdiges, nach Luft ringendes Geräusch, wie jemand, dem die Tränen kommen und der sich bemüht, die Fassung zu bewahren. »Stephanie, wenn ich versuchen müsste, mit dem fertigzuwerden, was Scarlett jetzt am Hals hat, dann würde ich meinen besten Freund an meiner Seite haben wollen. Sie wissen, sie wird Sie nicht darum bitten. Aber sie wäre viel besser dran, wenn Sie dort wären. Bitte, wenn Sie können, fahren Sie zu ihr.«
Ich brauchte keine zweite Aufforderung, war aber nicht sicher, ob ich in der Lage wäre, Auto zu fahren. Denn ich fing immer wieder an zu weinen und musste auf dem Seitenstreifen anhalten. Aber trotzdem wäre es mit dem Auto viel schneller als mit Zügen und Taxis. Und es würde weniger Neugier erwecken. Nichts zieht so viel Aufmerksamkeit auf sich wie eine Person, die sich im öffentlichen Verkehr bewegt und die ganze Zeit schluchzt. Und ich glaubte, durch die gütige Freundlichkeit von fremden Menschen wäre ich überfordert. Tatsächlich musste ich dann einen Verkehrspolizisten überzeugen, dass ich nicht so eine Art Nervenzusammenbruch hatte.
Als ich zur Hazienda kam, war da natürlich ein noch größerer Medienauflauf als damals nach Joshus Tod. Scarlett hatte landesweit einen viel höheren Bekanntheitsgrad als ihr Ex-Mann, und alle wollten ein Stück von ihrer Tragödie mitbekommen. Das Schauspiel hatte etwas zutiefst Abstoßendes. Die Gier, der Mangel an Mitgefühl, das unverhohlene Schmarotzertum ihres Wunsches, von Scarletts Leid zu zehren, all das gab mir das Gefühl, durch meine eigene flüchtige Verbindung zur Medienwelt verdorben zu sein. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen uns war, dass ich mit Zustimmung arbeitete. Ich setzte eine Grenze, die das respektierte, was meine Auftraggeber für sich behalten wollten. Aber wir waren alle in dem Geschäft, ein Verlangen zu befriedigen, das aus einer gewissen Lüsternheit erwuchs. Als ich meinen Wagen langsam durch die enggedrängten Presseleute steuerte, fragte ich mich, ob ich noch einmal überdenken sollte, wie ich meinen Lebensunterhalt verdienen wollte.
Einen Moment schien es, als wollten
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