Der Verrat: Thriller (German Edition)
geht.« Sie schüttelte den Kopf. »Wie haben sie das nur so schnell erfahren? Sie müssen meine Voicemail abgehört haben, ich kann es mir nicht anders erklären.«
»Meinst du? Es ist doch sicher wahrscheinlicher, dass jemand von der Klinik es weitergesagt hat.«
»Sie hätten aber doch viel mehr gewusst«, sagte Scarlett. Es war ein gutes Argument und eines, das ich nicht bedacht hatte. »Ich finde es schlimm, dass ich nicht einmal die Kontrolle über meine eigene verdammte unheilbare Krankheit habe. Ich wollte, dass ich bei der ganzen Sache ein bisschen Würde behalte. Nicht diesen Scheißzirkus. Ich kann nicht anders als denken, diese Scheißkerle haben mir den Stress gemacht, der mich überhaupt erst krank werden ließ. Geier. Können’s nicht abwarten, bis sie profitieren.« Wieder lächelte sie müde. »Wenn irgendjemand an meinem Tod etwas verdient, dann sollte ich das sein, nicht ein verdammter Journalist oder ein Spion, der im Krankenhaus arbeitet.«
Es mag merkwürdig klingen, dass Scarlett über die finanziellen Konsequenzen nachdachte. Aber damals glaubte ich zu verstehen, wie sie darauf kam. Scarletts Betriebskapital war ihre Bekanntheit. Die hatte jetzt nur noch eine begrenzte Haltbarkeit. Das Swimathon mochte ihr Ende überleben. Aber ihre Parfüms und ihre Produktwerbung würden wahrscheinlich mit ihr sterben. Anders als bei Autoren und Musikern, deren Werk nach ihrem Tod weiter Geld abwirft, stirbt die Ertragskraft eines Prominenten mit ihm. Und Scarlett hatte ein Kind, für das sie sorgen musste, sowie eine Stiftung, die sie vermutlich aufrechterhalten wollte. Natürlich behielt sie nebenbei den Profit im Auge.
Sie lehnte sich an mich. »Hast du Lust auf ein weiteres Buch? Der Letzte Wille? Das Tagebuch eines würdigen Sterbens? Es wäre ein bisschen stilvoller als eine weitere Ansammlung von Promi-Mist. Alle reden davon, in die Schweiz zu fahren zu dieser Dignitas-Organisation, und ob es uns erlaubt sein sollte, zu entscheiden, wie wir sterben. Wir könnten ein Buch darüber machen, wie ich das schaffe.« Ihr Enthusiasmus wäre einem Außenstehenden eigenartig vorgekommen. Aber uns leuchtete er durchaus ein.
»Warum nicht? Wenn Biba das will, werden wir liefern.«
Als wir die Hitze nicht mehr aushalten konnten, wechselten wir in den Pool. Scarlett ließ sich vorsichtig ins Wasser hinunter. Ich sah, wie sich ihre Bewegungen schon veränderten. Normalerweise warf sie sich ins Wasser, tauchte gleich unter und teilte die Wasseroberfläche mit einem kräftigen Kraulschlag. Aber heute war sie nur in der Stimmung für langsames Brustschwimmen. Sie schien vor meinen Augen zu altern.
Und das war nur der Anfang. Ihr Verfall war erschreckend. Die Pfunde schienen nur so von ihr abzufallen. Bis Jimmy und Marina ein paar Tage später zurückkamen, schätzte ich, dass sie schon drei Kilo abgenommen hatte. Essen interessierte sie nicht. »Alles schmeckt grau«, sagte sie. Und wenn sie sich überwinden konnte zu essen, behielt sie es nicht lange bei sich.
Einen Tag nachdem die Neuigkeit bekannt wurde, tauchte Leanne auf. Ich betrachtete sie dank Scarletts Enthüllungen mit neuen Augen, aber an ihrem Kummer schien nichts Unechtes zu sein. Nachdem Scarlett zu Bett gegangen war, saßen wir an diesem ersten Abend noch lange in der Küche, tranken Brandy und klagten über die Ungerechtigkeit der ganzen Sache. Als uns die Schimpfreden ausgingen, fragte ich sie, wie es denn in Spanien gehe. »Es gefällt mir«, sagte sie. »Das Wetter ist großartig, und die Leute sind freundlich. Es ist sehr angenehm, an einen Ort zu ziehen, wo niemand eine vorgefasste Meinung über einen hat, bevor man hinkommt. Es ist wie ein neuer Anfang.«
»Ich glaube, wir alle hätten das manchmal gern. Die Vergangenheit loswerden und ganz neu anfangen.«
»Was? Sogar du, Steph? Mit deinem tollen Leben?«
Ich streckte ihr die Zunge heraus. »Sogar ich. Es ist nicht immer toll. Erinnerst du dich an den Ärger mit Pete?«
»Ja, aber das ist doch jetzt Geschichte.«
Ich dachte an Joshus Trauerfeier zurück. »Ich glaube schon. Ich hoffe es. Und das Geschäft? Wie entwickelt sich das?«
»Ziemlich gut eigentlich. Ich fange an, mir eine nette kleine Kundschaft aufzubauen. Es gab gar keine richtige Konkurrenz. Bevor ich anfing, musste man nach Fuengirola oder Benalmadena hinunter, um sich die Nägel von einer Engländerin machen zu lassen. Und geben wir’s doch zu, sie haben alle lieber jemand von hier. Rassisten, die meisten davon. Sie
Weitere Kostenlose Bücher