Der Verrat: Thriller (German Edition)
tun, als wären die Spanier dressierte Affen.« Sie lachte glucksend. »Allerdings spielen viele Spanier das extra hoch. Sie haben ihre Rolle als trottelige, aber charmante Helfer perfektioniert.«
Ich war froh, Leanne wieder in der Hazienda zu sehen. Sie hatte Sinn für Spaß und heiterte damit die Stimmung etwas auf. Und wenn ich ehrlich bin, war ich beruhigt, jemanden zu haben, mit dem ich Scarletts letzten Weg teilen konnte. Es wäre eine zu schwere Bürde gewesen, um sie allein zu tragen.
Leanne war nicht die Einzige, die einen Teil der Last übernahm. Der einzige Arzt, den Scarlett an sich heranließ, war Simon Graham. Sie vertraute ihm, sagte sie. Und sie brauchte einen Mediziner, dem sie vertrauen konnte, jetzt, wo das Ende nicht mehr weit war. Sie bestand darauf, dass er sich von der Klinik beurlauben ließ, und er richtete sich mehr oder weniger nach ihren Bedürfnissen. Gewöhnlich ging er zwei- oder dreimal die Woche am späten Vormittag zwei Stunden in die Klinik. Aber sonst war er in der Hazienda. Er ließ ein Einzelbett in ihren Ankleideraum stellen und verbrachte die Nächte dort, für den Fall, dass sie Hilfe brauchte. Sie wollte auch nicht, dass eine fremde Person sie pflegte. Also übernahm Marina neben den Haushaltspflichten ihre Pflege, wann immer Simon Unterstützung brauchte.
Simon und Marina wurden Teil des Klüngels, der noch spätabends in der Küche zusammensaß. Es war eine seltsame Gruppe, die sich aus sehr traurigem Grund versammelte. Wir begannen, zum Zeitvertreib Poker zu spielen, und oft verbrachten wir Stunden damit und bemühten uns, unsere Gedanken von der sterbenden Frau und dem schlafenden Kind im oberen Stockwerk fernzuhalten. Simon kaufte ein Set richtiger Pokerchips, und wir saßen um den Tisch herum und versuchten, einander auf die Schliche zu kommen. Ich hatte mit Pete und seinen Musikerfreunden Poker spielen gelernt und fand, dass es eine interessante Möglichkeit war, Einblick in die Persönlichkeit von Menschen zu gewinnen. Simon nahm sich immer Zeit und wog die Chancen ab (so behauptete er), bevor er endlich zurückhaltend setzte. Von uns allen konnte er am besten Entscheidungen über den Zeitpunkt des Aussteigens treffen. Er war ein Spieler, der seine Verluste immer niedrig hielt und weder viel gewann noch verlor.
Leanne war draufgängerischer, oft spielte sie mit hoffnungslosen Karten bis zum bitteren Ende, weil sie es nicht ertragen konnte, zu weit von der Action entfernt zu sein. Ich merkte im Allgemeinen, wenn sie etwas hatte, für das es sich zu setzen lohnte, weil sie dann ganz still war und mitging. Wenn sie etwas riskierte, wusste ich, dass sie nichts hatte, was sich irgendwie lohnte.
Marina war am schwersten zu durchschauen. Sie verriet nichts, wenn sie ihre Karten anschaute. In der ersten Runde hielt sie sich zurück, aber danach gab es kein Schema, nach dem sie setzte. Infolgedessen gelang es ihr meistens, uns andere zu täuschen. Wenn wir um Geld gespielt hätten statt um Keramikchips, dann hätte sie uns alle ausgenommen.
Ich setzte immer auf meine Hand. Und ich habe den Verdacht, weil ich immer auf meine Hand setze, bin ich ziemlich leicht zu durchschauen. Ich glaube nicht, dass mein Gesicht mich verrät. Es ist eher meine Unfähigkeit, im Widerspruch zu den Karten in meiner Hand und auf dem Tisch zu setzen. Ich bin nicht gut im Bluffen – oder Lügen, wie ich es lieber nenne.
Meistens verbrachte ich morgens eine Stunde oder zwei mit Scarlett in ihrem Schlafzimmer, das nach Scarlett Smile und Desinfektionsmittel roch. Es waren die behutsamsten Interviews, die ich je geführt habe. Ich schlug eine Richtung vor, die wir verfolgen könnten, und dann sprach sie so lange, wie ihre Kraft reichte. Wir bezogen vieles ein – Mutterschaft, von beiden Seiten betrachtet, die Schwierigkeit, mit dem Verlust eines Elternteils fertigzuwerden, der doppelte Kummer ihrer gescheiterten Ehe und danach Joshus Tod und dann die Notwendigkeit, ihre Dinge vor ihrem eigenen Tod zu ordnen.
Sie scheute vor nichts zurück, sprach offen über Fehler, Reue und verpasste Chancen. Zwar wurde sie schnell müde, aber sie nahm jetzt nicht so schnell ab und versicherte mir, dass Simon ihr half, schmerzfrei zu sein. »Es ist einfach spitze, dieser Teil«, sagte sie. »Morphin lässt mich schweben. Die einzige Droge, an der ich Gefallen gefunden habe.«
Eines Morgens, als ich es mir auf dem Sessel bequem machte und mein Aufnahmegerät und mein Notizbuch zurechtlegte, deutete sie auf
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