Der Verrat: Thriller (German Edition)
Jimmy und ich, wir fahren zurück zum Haus, ziehen unsere Beerdigungsklamotten aus und spielen ein bisschen.«
»Sind Sie sicher, dass es Ihnen nichts ausmacht?«, fragte George.
»Ich war bei Joshus Beerdigung und fand es schrecklich«, entgegnete Marina. »Ich werde nichts verpassen, und es ist besser für Jimmy, nach Hause zu fahren statt wie eine Trophäe herumgereicht zu werden.«
Ich hätte es nicht so ausgedrückt, doch ich konnte ihren Standpunkt verstehen. Und es war eine Erleichterung, musste ich zugeben. Ein öffentliches Tauziehen um Scarletts Sohn war das Letzte, was ich wollte.
Wie sich herausstellen sollte, hätten wir es nicht besser regeln können. Ich war kaum durch die Tür des Hotelballsaals getreten, in dem der Leichenschmaus gehalten wurde, als Chrissie und Jade Higgins mit Drinks in den Händen auf mich zu wankten. Wie durch Zauberei wurde es plötzlich sehr leer um mich herum. Eine Sache über Promis: Einen aufkeimenden Streit zwischen Weibern riechen sie fünfzig Schritte gegen den Wind und machen bereitwillig Platz für die Gegnerinnen, in der Erwartung, dass ihnen eine tolle Show geboten wird.
»Wo ist mein Enkel?« Chrissie hielt sich nicht mit unnützen Details wie einer Vorstellung auf. Aus der Nähe konnte ich ihr nun ihren Zustand ansehen, den die Distanz vorher verschleiert hatte. Ihre Gesichtshaut wirkte wie Sandpapier und war von geplatzten Äderchen übersät, die vom Make-up mehr schlecht als recht überdeckt wurden. Viel zu viel Mascara und Lidschatten waren immer noch nicht genug, um von dem gelblichen Schimmer im Weiß ihrer Augen oder von den großen Tränensäcken abzulenken. Ihre Zähne waren gelb und in sehr schlechtem Zustand, und je näher sie kam, desto übler wurde mir von ihrem schalen Atem. Ihre Arme und Beine waren sehr dünn, doch ihr Oberkörper wirkte rund und hart wie ein Fass. Wäre man auf der Suche nach Scarletts Mutter gewesen, dann hätte man bestimmt nicht sie aus einer Reihe von möglichen Kandidatinnen ausgewählt.
»Sie müssen Mrs. Higgins sein«, sagte ich. »Es tut mir leid, dass wir uns aus so traurigem Anlass kennenlernen.«
Meine Höflichkeit verdutzte sie, und sie blickte drein wie eine Bulldogge, die ein Kleinkind beim Spielen beobachtet. Jade, die neben ihrer Mutter lauerte, war da ganz anders: rappeldürr und blass, Junkie-Chic von Kopf bis Fuß. Die Sorte Mensch, die immer schmuddelig wirkt, selbst wenn sie frisch aus der Dusche kommt. »Komm uns nicht dumm, du aufgebrezelte Schlampe«, knurrte sie. »Wo ist unser Junge? Was hast du mit unserem Jimmy gemacht?«
Zu meinem Glück war George an meiner Seite, die perfekte Mischung aus Urbanität und Unnachgiebigkeit. »Jimmy ist in keinerlei Hinsicht Ihr Junge«, antwortete er. »Scarlett hat ihre Absichten sehr deutlich gemacht. Wenn Sie mit dieser Situation unzufrieden sind, dann empfehle ich Ihnen, einen Anwalt zu nehmen.«
»Einen Scheißanwalt? Meinst du, ich brauch einen Scheißanwalt, der mir sagt, wer zu meiner Familie gehört und wer nicht? Der Junge ist mein Enkel.« Chrissie deutete mit dramatisch erhobenem Zeigefinger auf mich. Ich hörte das Klicken zahlloser Kameras um mich herum. »Sie hat kein Anrecht auf ihn. Sie ist nur hinter dem Geld unserer Scarlett her.«
»Raffgierige Schlampe«, echote Jade.
Ich wusste, ich wäre verloren, wenn ich mich auf einen Streit mit ihnen einlassen würde. Sie würden mich auf ihr Niveau herunterziehen, und ehrlich gesagt hatten sie mit dieser Art von Streit wesentlich mehr Erfahrung als ich. Trotzdem geriet ich in Versuchung. Als ob er es spürte, legte mir George eine Hand auf den Arm. »Ich bezweifle, dass Sie mir auch nur sagen könnten, wann der Junge Geburtstag hat«, wies George sie zurecht.
»Halt die Schnauze, Arschloch«, schallte es von Jade. »Mit dir reden wir gar nicht. Diese intrigante, berechnende Schlampe hier muss Jimmys Familie Rede und Antwort stehen.«
George schüttelte den Kopf. »Sie verschwenden Ihre Zeit. Sollten Sie versuchen, irgendeine unsaubere Sache mit der Klatschpresse abzuziehen darüber, wie schrecklich Sie benachteiligt wurden, dann sage ich Ihnen hier laut und deutlich: Scarlett hat Ihnen in den letzten sechs Jahren ein Dach über dem Kopf gegeben und Ihre Rechnungen bezahlt. Dafür wollte sie von Ihnen nur, dass Sie sich von ihr fernhalten. Der Junge hat rein gar nichts mit Ihnen zu tun. Und jetzt benehmen Sie sich entweder wie zivilisierte Menschen, oder ich lasse Sie hinauswerfen.«
Chrissie
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