Der Verrat: Thriller (German Edition)
stürzte sich mit fliegenden Fäusten auf ihn. Doch noch bevor sie ihn erreicht hatte, ergriff Simon sie von hinten und drückte mit geübtem Griff ihre Arme nach unten. »Zeit zu gehen, Chrissie«, sagte er und führte sie weg von George. »Kommen Sie, wir trinken etwas und reden ein bisschen über Scarlett.«
Widerwillig schien sie aufzugeben. Doch als Simon sie gerade von uns wegführen wollte, räusperte sie sich und spuckte einen dicken Klumpen ekelhaften Raucherauswurfs mit voller Kraft in Richtung George. Erschrocken machte er einen Schritt zurück, konnte gerade noch ausweichen, und die Spucke landete auf den Holzdielen, nur Zentimeter vor seinen auf Hochglanz polierten Halbschuhen. Er blickte auf den ekelhaften Schleimklumpen und starrte dann Chrissie und Jade an, die sich auf dem Rückzug befanden. »Hervorragend«, zischte er mir leise zu. »Spucken kommt ganz schlecht an bei der Klatschpresse. Die gute Chrissie hat ihre Chance vertan, einen von denen in ihre Ecke zu bekommen. Sie wissen nur zu gut, dass dieser Vorfall spätestens heute Abend ein Renner auf YouTube sein wird.«
»Meinen Sie, sie werden versuchen, das Sorgerecht für Jimmy zu bekommen?«
»Sie haben nicht die geringste Chance, und jeder Anwalt, der sein Geld wert ist, wird ihnen das sagen.« Er seufzte. »Gott, ich brauche einen Drink. Man fühlt sich wie in einem von Dantes Höllenkreisen.«
Dagegen ließ sich nichts einwenden. Und es gab sowieso keinen Grund, noch länger hierzubleiben. Ich war da ganz einer Meinung mit Marina. Ich brauchte das alles nicht, um von Scarlett Abschied zu nehmen. Es war nichts als eine Nervenprobe, die es zu ertragen galt. Und während ich mich im Raum umschaute und mit Leuten, die ich kaum kannte, Smalltalk über Scarlett machte, saß mir die ganze Zeit die Angst im Nacken, dass Pete, ähnlich wie bei Joshus Beerdigung, auch diese Gelegenheit nutzen könnte, um mich wieder in seine Klauen zu bekommen.
Ich hörte also nur mit halbem Ohr zu, als mich eine der Klatschreporterinnen ansprach und darüber redete, wie wunderbar es doch von mir sei, Jimmy aufzunehmen. »Er ist mein Patenkind«, entgegnete ich. »Ich war bei seiner Geburt dabei, und seitdem war ich immer ein Teil seines Lebens. Es ist ein Glücksfall für mich.«
»Das mag ja sein«, beharrte sie. »Aber jemandes Kind anzunehmen, wenn es nicht einmal finanziell abgesichert ist, das ist schon recht viel verlangt. Dafür stehen Ihnen in meinen Augen Topnoten zu.«
Ich muss ganz schön verwirrt dreingeblickt haben, denn sie bedachte mich mit einem leicht durchschaubaren Blick geheuchelter Besorgnis. »Haben Sie das nicht gewusst? Sie hat alles für wohltätige Zwecke gespendet. Jeden einzelnen Cent. Das Kind bekommt gar nichts.«
45
I ch entdeckte George drüben beim kalten Büfett, wo er, elegant an einem Wurstbrötchen knabbernd, den Raum überwachte wie ein Raubvogel, der nach Beute späht. »Ich hatte gerade eine sehr bizarre Unterhaltung mit einer Berichterstatterin vom Herald «, sagte ich. »Es war eine von der Sorte, wo man tun muss, als wüsste man genau, was sie meint, damit man nicht wie ein kompletter Vollidiot wirkt.«
George hob die Augenbrauen. Ich glaube, er ist immer noch überrascht, wenn ich mich mal etwas gröber ausdrücke. »Wie überaus unangenehm für Sie. Was hat sie erzählt?«
»George, wissen Sie etwas darüber, was Scarlett in ihrem Testament verfügt hat?« Manchmal war es einfach die beste Taktik, sich ein Beispiel an Chrissie Higgins’ Strategie zu nehmen. Besonders wenn man es mit einem Meister der Diplomatie wie Georgie zu tun hat.
Er lächelte gequält, dann wickelte er die Überreste des Wurstbrötchens in eine Cocktailserviette und legte sie beiseite. »Ach«, sagte er und griff nach seinem Gin Tonic.
»Dann ist es also wahr?«
Mit seiner freien Hand winkte er ab und wollte entspannt wirken. »Ich weiß nicht, was man Ihnen erzählt hat, Stephanie.«
»Die nette Dame von der Presse glaubt zu wissen, dass Scarlett ihr komplettes Vermögen für wohltätige Zwecke gespendet hat. Alles geht an den Wohltätigkeitsfonds TOmorrow. Das Haus, das Geld, die Vermarktungsrechte. Absolut alles. Stimmt das?«
»Ich hatte eigentlich vor, mich mit Ihnen hinzusetzen und es Ihnen später im Lauf der Woche zu sagen«, gestand er mit zerknirschtem Blick.
»Verdammt noch mal«, rief ich. »Jimmy bekommt gar nichts?«
»Persönliche Dinge, das ist alles. Im Klartext bedeutet das Schmuck.« Sein Lächeln glich der
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