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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Krematorium waren große Bildschirme aufgebaut, über die die Beerdigungsfeier für die Fans übertragen wurde, damit alle an der Trauer teilhaben konnten. Drinnen folgten wir dem Sarg durch den Mittelgang. Jimmy hielt meine Hand so fest, dass ich wusste, sie würde später von den kleinen halbmondförmigen Abdrücken seiner Fingernägel gezeichnet sein. Ich trug jetzt die Verantwortung für ihn, und sie lastete schwer auf mir. Wieder wünschte ich, Leanne wäre hier, um sie mit mir zu teilen. Marina war schon in Ordnung, aber sie gehörte nicht zur Familie. Außerdem würde auch sie bald weggehen, um den Job in Rumänien anzutreten, den Scarlett ihr versprochen hatte. Ob ich mir die Cousine, die Marina angeboten hatte, würde leisten können, wusste ich nicht. Ich musste mich also daran gewöhnen, alles selbst zu meistern.
    Drinnen waren überall noch mehr Blumen, und der Duft nach Scarlett Smile erfüllte den Raum. Ich hatte mittlerweile einen Punkt erreicht, an dem ich dieses verdammte Parfüm nie wieder riechen wollte. Das Krematorium war gerammelt voll mit Gesichtern, die man aus den Boulevardzeitungen und von den Seiten der Tratsch- und Schlampenpresse kannte. Die C-Liste der Paparazzi war komplett angetreten. Ich konnte nur hoffen, dass Maggie sich beim Leichenschmaus nicht auf Auftragssuche begeben würde. Ich hatte, weiß Gott, genug Promi-Biographien für ein ganzes Menschenleben geschrieben. Im Laufe der letzten Wochen hatte ich eine wichtige Entscheidung für meine Zukunft getroffen. Keine Bücher mehr mit Menschen, deren einziger Verdienst es war, berühmt zu sein. Von jetzt an sollten sie wirklich etwas vollbracht haben, das es wert war, niedergeschrieben zu werden.
    Die Bestattung lief wesentlich würdevoller ab, als ich erwartet hatte. Liam Burke, der mit seinem starken irischen Akzent den Big Fish für die Horde der Goldfish-Bowl -Anwärter gegeben hatte, las Verse von Christina Rossetti. Der Produzent von Real Live TV sprach bewegend von der Zusammenarbeit mit Scarlett – ihrer Kreativität, ihrem Gespür dafür, was den Zuschauern gefallen würde, ihrer Bereitschaft, hart zu arbeiten, und ihrem Sinn für Humor. George sprach von ihrem Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen und von der Freude, die sie jedem geschenkt hatte, der sie kannte (eine Übertreibung, gegen die an diesem Tage niemand Einspruch erheben würde). Der Leadsänger einer Boyband, mit der sie in ihrer ersten Show ein Interview geführt hatte, sang »I’ll be seeing you«. Und, ja, ich habe geweint.
    Jimmy klammerte sich die ganze Andacht über an mir fest. Sein kleiner Körper zitterte von dieser Überdosis an Gefühlen. Zum Ende hin setzte ich ihn einfach auf meinen Schoß, und er schlang die Arme um meinen Hals, als wolle er mich nie wieder loslassen. Ich streichelte seinen Rücken und gab beruhigende Laute von mir. Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte.
    Sobald die Andacht vorüber war, scheuchte uns George zurück zu den wartenden Autos. »Es wird hier kein Schlangestehen für Kondolenzbezeugungen geben«, sagte er bestimmt. »Wenn wir das täten, müssten wir Jade und Chrissie mit einbeziehen, und das kommt nicht in Frage.«
    Aus der Distanz betrachtet, sahen sie gar nicht mal so schlimm aus, was ich George auch sagte. »Ich habe eins meiner Mädels hoch nach Leeds geschickt, um sie einzukleiden und mit ihnen zu reisen. Sie sind also relativ nüchtern und relativ drogenfrei. Dass sie nach dem Leichenschmaus immer noch in diesem Zustand sind, das glaube ich allerdings nicht. Wir müssen die verdammten Presseleute von ihnen fernhalten, falls es später noch unangenehm wird.«
    »Was ist mit Jimmy? Muss er ihre Bekanntschaft machen?«
    Mittlerweile waren wir bei den Autos angekommen. George blickte unentschlossen drein, was völlig uncharakteristisch für ihn war. »Ich fahre mit euch«, sagte er und setzte sich neben Marina und mich in den Wagen. Jimmy hing immer noch an mir wie ein kleines Äffchen. »Ich möchte ihn gerne von ihnen fernhalten, wenn es geht. Mein Mädchen hat mir verraten, dass sie versuchen werden, sich Jimmy zu krallen.« Seine Lippen kräuselten sich, als habe er einen unangenehmen Geruch wahrgenommen. »Sie glauben natürlich, sie hätten finanziell ausgesorgt, wenn sie ihn bekämen.«
    »Ich werde ihn nach Hause bringen«, sagte Marina. »Ich muss auf der Feier nicht anwesend sein.« Sie zuckte mit einer Schulter. »Ich kenne ja niemanden und brauche das auch nicht, um Scarletts zu gedenken.

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