Der Verrat: Thriller (German Edition)
schmerzverzerrten Grimasse eines Boxers, der zum dritten Mal auf die Bretter geschickt wird. »Es sind ein paar wirklich gute Stücke dabei.«
»Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass ich den Schmuck seiner Mutter verschachern werde? Großer Gott, George, für was halten Sie mich? Und warum erfahre ich erst jetzt davon?«
»Etwas leiser bitte, Stephanie. Zu viele aufmerksame Ohren hier. Wir sollten das nicht in der Öffentlichkeit besprechen. Lassen Sie uns ein paar Schritte gehen.« Er dirigierte mich aus dem Ballsaal hinaus und durch die Eingangshalle an der Hotelrezeption vorbei zum Parkplatz. Letztendlich landeten wir in einer scheußlichen Grotte, die, so vermute ich, als Hintergrund für Hochzeitsfotos gebaut worden war.
»Es tut mir leid, dass man Ihnen das verschwiegen hat, aber Scarlett hat darauf bestanden.«
»Warum? Hat sie etwa gedacht, ich wäre so wie ihre schäbigen Verwandten? Dass ich Jimmy nur zu mir nähme, wenn er mit dicken Bündeln von Zehn-Pfund-Scheinen ankäme? Was glauben Sie, wie ich mich damit fühle, George?« An diesem Punkt schrie ich wahrscheinlich bereits, doch das war mir mittlerweile egal.
»Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Und genau das habe ich auch zu Scarlett gesagt, als sie mir erzählte, was sie vorhatte. Ich wusste, Sie würden den Jungen nicht im Stich lassen, ganz egal, welches finanzielle Arrangement getroffen wird.« Wieder das gequälte Lächeln. »Die arme Scarlett hat aber auch nicht den Vorteil unserer Erfahrungen. Es fiel ihr immer noch schwer, anderen Menschen in Geldangelegenheiten zu vertrauen. Deshalb zahlte sie Chrissies Nebenkosten lieber direkt, anstatt ihr das Geld dafür anzuvertrauen.«
Ich warf die Hände in die Luft. »Ich kann nicht glauben, dass sie Jimmy tatsächlich nichts hinterlassen hat. Wie sieht es mit einem Treuhandkonto für seine Ausbildung aus?« George schüttelte den Kopf. »Und wie soll ich ihm das bitte erklären, wenn er alt genug ist, um es zu verstehen?«
»Sie können ihm höchstens ihr Testament zeigen. Ich habe sie dazu gebracht, eine Klausel einzufügen, in der sie erklärt, warum sie es getan hat.«
»Wirklich? Es gibt also eine Erklärung? Es war also nicht nur der verdammte Krebs, der auch ihr Gehirn erfasst hat?«
George manövrierte mich zu einer halbkreisförmigen Steinbank und setzte sich. Elegant schlug er die Beine übereinander und entnahm seiner Innentasche ein Zigarrenetui. Er nahm eine kleine Zigarre heraus und zündete sie mit einem Streichholz aus einem Pappbriefchen an, das für eine Bar in New Orleans warb. Seit wir uns kannten, hatte ich ihn erst zwei- oder dreimal rauchen sehen. Es war also ein Beweis dafür, wie anstrengend er die Unterhaltung fand.
Er stieß einen Mundvoll aromatischen blauen Rauchs aus und richtete seinen sorgenvollen Blick auf einen Punkt in der Ferne. »Ihr Standpunkt ist der folgende. Sie hat mit nichts angefangen. Mit weniger als nichts, könnte man sagen, wenn man ihre benachteiligte Ausgangssituation bedenkt. Und nur durch ihre harte Arbeit und ihre Entschlossenheit hat sie es geschafft. Auf dem Weg nach oben sind ihr jede Menge verwöhnte Bälger begegnet. Menschen, die sich Möglichkeiten vermasselten, die ihnen das Leben auf einem Silbertablett dargeboten hatte. In diesem Sinn sprach sie auch über Joshu. Ein Junge, der sowohl Verstand als auch gute Möglichkeiten hatte, sich dann aber, wie sie es nannte, für das ›hirnlose Herumspielen an zwei Plattenspielern‹ entschieden hatte. Sie war fest entschlossen, dass ihr Sohn diesen Weg nicht gehen sollte. Scarlett hat für alles, was sie besaß, gearbeitet, und darauf legte sie Wert. Er sollte dieselbe Initiative haben und dieselbe Befriedigung daraus ziehen. Sie wollte ihm kein Gratisticket für ein schönes Leben geben. Und darum hat sie sich dafür entschieden, ihn nicht zu einem privilegierten Kind zu machen.«
Auf eine verdrehte Weise ergab das sogar einen Sinn. Scarlett kannte meinen Lebensstandard – angenehm, aber nicht übertrieben aufwendig. Sie wusste, dass ich mir den Unterhalt eines Kindes leisten konnte, nicht jedoch die Verrücktheiten der Reichen. Ich hätte mir nur gewünscht, dass sie mir genug vertraut hätte, um ihre Entscheidung mit mir zu teilen. »Ich kann ihren Standpunkt nachvollziehen«, sagte ich. »Trotzdem wäre es nett gewesen, das von ihr zu hören und nicht von einer Zeitungsschmiererin der Klatschpresse.«
George blies einen perfekten Rauchring. Natürlich tat er das. Ich vermute,
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