Der Verrat: Thriller (German Edition)
Verantwortung für ein Kind übernommen.«
»Sie leben doch in Brighton, oder?«
»Ja, aber zurzeit wohne ich noch auf Scarletts Anwesen in Essex, bis wir Jimmys Umzug zu mir geregelt haben. Das Haus muss laut Scarletts verdammt egozentrischem Testament ausgeräumt und verkauft werden.« Sie zog eine Grimasse. »Tut mir leid, ich sollte nicht jammern. Mir ist es ja im Prinzip egal, aber für Jimmy wäre es leichter gewesen, wenn er noch ein paar Monate hätte bleiben können.«
»Andererseits ist es vielleicht besser für Sie, in Brighton zu sein als irgendwo, wo Matthews Sie ausfindig machen könnte.«
Sie nickte zustimmend. »Das ist wahr.«
»Okay, ich nenne meinen Preis. Sobald Sie zurück nach Brighton gezogen sind, darf ich an meinem freien Tag mal runterkommen und Sie zum Mittagessen ausführen, während Jimmy in der Schule ist. Wie klingt das?«
Stephanie blickte zuerst erleichtert, dann erfreut drein. »Das wäre schön. Danke! Danke für alles.«
Noch am selben Abend kundschaftete Nick Pete Matthews’ Adresse aus. Die Wohnung befand sich im Souterrain eines hohen viktorianischen Reihenhauses in Kentish Town, ein paar Straßen von der Hauptverkehrsader entfernt, und ging auf den Garten hinaus. Am praktischsten daran war die Eingangstür, zu der man erst ein paar Stufen hinuntersteigen musste. Von der Straße aus konnte man sie deshalb nicht einsehen, es sei denn, man stand auf dem Gehweg direkt gegenüber der Treppe. Eine stabile Kette hielt das Tor verschlossen, doch Nick vermutete, dass man sie mit einem anständigen Bolzenschneider knacken konnte.
Da in Matthews’ Wohnung alles dunkel war, riskierte er es, am Haupteingang zu klingeln. Der Mann, der die Tür öffnete, wirkte wie ein heruntergekommener Stutzer aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Sein ziemlich kurzes schwarzes Haar war mit Gel zu einer Tolle hochgekämmt, und sein enges geblümtes Hemd spannte deutlich über seinem Schmerbauch. Er trug weiße Jeans, die so eng geschnitten waren, dass wirklich nichts der Phantasie überlassen blieb. Nick, dessen Jeans eher nach Gesichtspunkten der Bequemlichkeit als der Prahlerei ausgesucht waren, hatte noch nie Verständnis für diesen Stil gehabt. Ein Hammel, der als Bock verkleidet war. Der Mann spitzte angriffslustig die Lippen, was so viele Fältchen in seinem Gesicht hervortreten ließ, dass er es wahrscheinlich bleiben gelassen hätte, wäre es ihm bewusst gewesen. »Ja?«, fragte er gereizt.
Nick zeigte ihm seinen Dienstausweis und gab sich den Anschein der Bescheidenheit. »Sind Sie der Hausbesitzer, Sir?«
»Wie förmlich Sie sind! Genau genommen wären das meine Frau und ich, doch ich bin der Hausherr.« Dieser Mann versucht krampfhaft, sich als etwas Besseres darzustellen, dachte sich Nick. Seine Ausdrucksweise war so bemüht.
»Ich würde gerne kurz mit Ihnen sprechen.«
»Haben wir uns unwissentlich irgendeines Vergehens schuldig gemacht, Officer?«
»Nein, Sir. Ich möchte nur wissen, ob bei Ihnen heute Morgen zwischen neun und elf jemand zu Hause war. Wir ermitteln in einem Fall von tätlichem Angriff und suchen nach Zeugen.«
Der Mann wirkte schockiert. »Ein tätlicher Angriff? Wurde einer der Nachbarn attackiert?«
»Nein. Nichts dergleichen. Wir vermuten, dass sich Opfer und Angreifer kannten und sich zufällig in dieser Straße begegnet sind. Haben Sie irgendetwas gehört oder gesehen? Sie oder Ihre Frau?«
Bekümmert schüttelte er den Kopf, so, als bedaure er es persönlich zutiefst, dass er nicht helfen konnte. »Meine Frau Madeleine und ich haben heute Morgen wie immer um zehn vor neun gemeinsam das Haus verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Ich arbeite bei der BBC, und sie betreibt einen Wohltätigkeitsladen ganz dort in der Nähe, also fahren wir zusammen mit der U-Bahn hin. Leider waren wir beide nicht daheim.«
»Und was ist mit Ihrem Nachbarn von unten?« Nick tat so, als schaue er in seinem Notizbuch etwas nach. »Mr. … Matthews?«
»Ich habe keine Ahnung. Er hat keinen regelmäßigen Tagesablauf. Wissen Sie, er ist im Musikbusiness tätig. Sie müssten ihn selbst fragen, ich weiß nicht, wann er zurückkommt. Manchmal bleibt er ein paar Wochen am Stück weg.«
Nick klappte sein Notizbuch zu und lächelte. »Entschuldigen Sie bitte die Störung. Und danke für Ihre Geduld.« Er wartete nicht ab, bis der Mann die Tür schloss, denn er hatte, was er brauchte. Tagsüber war also niemand im oberen Teil des Hauses. Am Mittwoch musste Nick nicht zur Arbeit,
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