Der Verrat: Thriller (German Edition)
zum Lunch in Brighton. Stephanie war noch dabei, mit Jimmy Higgins’ Auftauchen in ihrem Leben fertigzuwerden, und wollte das Kind offensichtlich beschützen, doch es war genauso augenscheinlich, dass sie ihn gern bei sich hatte. Nick glaubte, dass die beiden gut miteinander auskommen würden, und hatte kein Problem damit, eine Beziehung mit einer Frau plus Kind einzugehen. Er mochte Jimmy, wenngleich er auch meinte, der Junge sei zu sehr verwöhnt worden. Stephanie schien allerdings fest entschlossen, das auf die sanfte Art zu ändern.
Trotz seiner Begeisterung ließen sie die Sache langsam angehen. Inzwischen waren sie, wie Nick glaubte, schon fast so weit, dass sie sich als Paar bezeichnen konnten. Er war sich so ziemlich im Klaren darüber, dass er Stephanie liebte. Nur war er sich noch nicht ganz sicher, ob er bereit war, sein Leben mit ihr zu teilen. Wie viel Platz hätte die Musik noch in seinem Leben, wenn er eine Partnerin mit Kind hatte, die bei ihm wohnte?
Trotz alledem war er wild entschlossen, Jimmy wiederzufinden. Und in diesem Moment glaubte er eine wesentlich bessere Chance zu haben, Pete Matthews’ Aufenthaltsort bei irgendeinem Chicagoer Studio herauszubekommen, als Vivian McKuras.
Nick startete den Wagen und machte sich auf den Weg zum Büro. Für diesen Anruf wollte er die Ruhe und die Sicherheit einer Festnetzverbindung, und sein Arbeitsplatz war näher als sein Zuhause. Wenn es nach ihm ginge, dann wäre der ganze Fall bis zum Frühstück erledigt. Und Stephanie wäre ihm entsprechend dankbar.
48
M it hängenden Schultern starrte Stephanie auf ihre Hände hinunter. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Keine englische Rose mehr. Es wirkte auf Vivian, als hätten die Ereignisse des Tages ihre Zeugin letztendlich eingeholt. Die Vorräte an Adrenalin, die ein Körper freisetzen konnte, waren beschränkt. Sie musste also zügig entscheiden, was mit Stephanie geschehen sollte. Es gab keinen Grund, sie in Gewahrsam zu halten. Es bestand kein Zweifel, dass sie die Hauptzeugin war, und es gab auch keinen Anlass zur Annahme, dass sie aus dem Land flüchten oder im weiteren Verlauf die Aussage verweigern würde. Vivian schätzte Stephanie nicht als jemanden ein, der in der ersten Sekunde auf freiem Fuß gleich spurlos verschwinden würde.
Nichtsdestotrotz war bei ihrem Fall klar, dass es einen riesigen Medienrummel um sie geben würde, auch wenn es nur die britischen Medien beträfe. Davor wollte Vivian Stephanie beschützen. Da jedoch Polizeigewahrsam eine extreme Überreaktion darstellen würde, wäre es wohl zunächst das Beste, sie unter falschem Namen in einem Flughafenhotel unterzubringen.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte sie.
Stephanie zuckte mit den Schultern. »Ausgelaugt«, antwortete sie. »Ich bin völlig erschöpft, aber zu aufgeregt, um zu schlafen.« Und sie fühlte sich auch nicht danach, es zu versuchen. Denn sie wollte nicht die Tür zu den Alpträumen aufstoßen, die Jimmys Verschwinden verursachen könnte. Ihre Angstvorstellungen im Wachzustand waren bereits schlimm genug.
»Warum, glauben Sie, wurde Jimmy gerade hier entführt? Auf einem Flughafen in den USA?«, fragte Vivian. »Ich bin immer noch neugierig. Das scheint doch unnötig kompliziert. Es muss drüben in England einfachere Möglichkeiten gegeben haben.«
Stephanie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Herrgott noch mal, ich weiß es nicht. Vielleicht, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken?«
»Was meinen Sie damit?«
»Wäre Jimmy in Großbritannien entführt worden, hätten die Behörden sich auf einen sehr kleinen Kreis von Verdächtigen konzentriert. Wer kennt ihn? Wer hat etwas gegen mich? Wer hatte Zugang zu ihm? Hier drüben muss man einen viel größeren Rahmen in Betracht ziehen. Man wird förmlich gezwungen zu denken: ›Halt, so einfach kann es ja nicht sein, denn sonst hätten sie es ja in England gemacht.‹«
Bevor Vivian antworten konnte, klopfte es an der Tür, und Don Abbotts Kopf und Schultern erschienen. »Entschuldigen Sie noch mal die Störung«, sagte er. »Können wir kurz reden, Agent McKuras?«
Vivian bedeutete Stephanie mit einer Handbewegung, kurz abzuwarten, und stand auf. Sobald die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, hob sie fragend die Augenbrauen. »Neuigkeiten?«, fragte sie gespannt.
»Könnte man sagen«, entgegnete Abbott. Er rieb sich die Augen. »Ich kann Ihnen versichern, wenn ich heute nach Hause komme, dann werde ich bestimmt nicht fernsehen. Meine Augen
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