Der Verrat: Thriller (German Edition)
irgendwohin gebracht und getötet hat?«
Nick machte eine zustimmende Kopfbewegung. »Etwas in der Richtung. Ich denke, ich muss mit der Polizei von Essex reden, wenn wir zurückkommen. Die Spur ist mittlerweile schon ziemlich kalt, doch sie müssen eine Mordermittlung anberaumen. Wenn das Telefon immer noch eingeschaltet ist, dann gibt ihnen das vielleicht einen Anhaltspunkt für die Suche.«
»Arme Leanne. Sie war vielleicht nicht die Hellste, doch sie war ein anständiger Mensch.« Plötzlich setzte sich Stephanie ruckartig auf. »Moment mal. Du bist nicht ehrlich mit mir, Nick.«
Bestürzt wich er zurück. »Wie meinst du das?«
»Du weißt genau, was ich meine. Es war kein Fremder, der Leanne getötet hat. Es muss jemand aus dem Haus gewesen sein. Weil ihr Anwesen in Spanien verkauft wurde und das Geld in den Trust floss.« Stephanies Augen weiteten sich vor Schrecken. »Hat es einen Unfall gegeben? Ist Leanne im Haus gestorben?«
»Langsam«, entgegnete Nick, drehte sich auf seinem Sitz zu ihr und packte sie an den Schultern. »Du überschlägst dich ja geradezu. Es gibt andere Erklärungsmöglichkeiten. Möglichkeiten, die wesentlich mehr Sinn ergeben.«
»Mir fällt keine ein.« Stephanie hatte das Kinn vorgestreckt, sie hatte die Kontrolle zurückgewonnen. Sie wollte Antworten und ließ sich nicht abwimmeln.
»Was war Leannes Job? Was hat sie für Scarlett getan?«
»Das weißt du. Sie war ihr Double, sie war eine Scarlett-Darstellerin.«
»Genau. Und für jemanden, der von Scarlett besessen war, war Leanne vielleicht so gut wie die echte Scarlett. Man könnte sie sogar in dem Irrglauben geschnappt haben, es handle sich um die echte Scarlett. Die Tatsache, dass man in einem Bereich seines Lebens an Wahnvorstellungen leidet, hält einen ja nicht unbedingt davon ab, in allen anderen Bereichen des Lebens zu funktionieren wie wir anderen auch. Unser Täter schnappt sich Leanne und hält sie gefangen. Früher oder später merkt er, dass sie gar nicht Scarlett ist. Das bedeutet, er muss sie loswerden und seine Spuren verwischen. Er findet die Sache mit dem Haus und dem Nagelstudio in Spanien heraus, und ihm wird klar, dass irgendjemand Alarm schlagen wird, wenn Leanne einfach alles so aufzugeben scheint. Er fährt hin und räumt im Schutz der Nacht all ihre persönlichen Sachen weg. Dann gibt er sich in Briefen, E-Mails oder SMS als Leanne aus und veranlasst den Hausverkauf. Dabei ist ihm völlig gleichgültig, wem es gehört oder wohin das Geld fließt, denn er interessiert sich nicht für Geld. Er interessiert sich nur für Scarlett.«
Stephanie zitterte. Das war leider alles sehr gut vorstellbar. Es war oft vorgekommen, dass fanatische Fans vor der Hazienda herumlungerten. Die gleichen Gesichter tauchten immer wieder auf, sobald Scarlett in der Öffentlichkeit auftrat. Manchmal kamen sie ihr zu nah und mussten verwarnt werden. Einer oder zwei, wie Megan, die Stalkerin, waren völlig außer Kontrolle geraten. Doch was war mit den anderen? Denjenigen, die sich oberflächlich unter Kontrolle halten konnten, innerlich jedoch völlig durchgeknallt waren? Nicks Theorie bot Antworten auf alle Fragen, die Leannes Verschwinden aufgeworfen hatte, und war wesentlich überzeugender als der Gedanke, dass Scarlett oder jemand aus ihrem Umfeld etwas mit ihrem Tod zu tun haben könnte.
»Und in all dem Durcheinander und der Aufregung um Scarletts Tod hatte niemand Zeit, auf irgendwelche scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten zu achten«, spekulierte sie. »Die Treuhänder haben das Geld vom Verkauf der Villa unter all dem anderen Geld, das durch den Verkauf von Scarletts Besitztümern hereinkam, wahrscheinlich gar nicht bemerkt.«
»Wer sind die Treuhänder?«, fragte Nick.
»Simon, Marina und George.«
»Dann ist es jetzt vielleicht an der Zeit, mal mit George zu reden«, schlug Nick vor.
»Sobald wir zurück nach London kommen. Möchtest du immer noch, dass ich die SMS an Leannes Handy schicke?«
»Ja, ich denke schon. Es wird spannend sein zu sehen, wie eine SMS von einer Toten aussieht.«
4
A ls sie zurück zu Nicks Wohnung kamen, war es bereits nach Mitternacht. Erschöpft fielen sie ins Bett, waren jedoch nicht so erschöpft, dass sie nicht noch Trost beieinander gesucht hätten. Danach, als Nick bereits eingeschlummert war, lag Stephanie noch wach und trauerte. Jimmy war die meiste Zeit ganz im Vordergrund ihrer Gedanken gewesen. Sie hatte genug Phantasie, um sich endlose Schreckensszenarien für den
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