Der Verrat: Thriller (German Edition)
Jungen vorzustellen. Obwohl jeder ihr sagte, dass sie sich an dem, was passiert war, nicht die Schuld geben solle, war ihr schlechtes Gewissen übermächtig. Wenn sie ihn nicht lebendig und unversehrt wiederfanden, dann würde ihr Versagen sie für den Rest ihres Lebens quälen. Sie hatte Scarlett ein Versprechen gegeben und hatte es nicht gehalten.
Schließlich sank sie in einen unruhigen Schlaf, und viel zu früh brach der Morgen an. Wie durch ein Wunder hatte die Presse keinen Wind von Stephanies Aufenthaltsort bekommen. Nick bestand darauf, dass sie beide inkognito bleiben sollten, solange seine Wohnung noch ein sicherer Zufluchtsort war. Und das hieß auch, dass sie nicht in Georges Büro auftauchen oder mit ihm in einem Restaurant essen konnten, wo die Bedienungen von Paparazzi geschmiert wurden. »Der arme George war völlig perplex«, erzählte Stephanie Nick, nachdem sie den Künstleragenten angerufen hatte. »Ich habe ihm vorgeschlagen, hierherzukommen. Man hätte glauben können, ich hätte verlangt, dass er mit einem Bündel Dollars in der Hand durch South Central L.A. marschieren solle.«
Nick grinste. »Er kommt also her?«
»Natürlich kommt er. Er sagte, er würde um elf Uhr herum bei uns sein. Er wird Kekse erwarten.«
Nick ging hinüber zu den Küchenschränken und nahm eine Tüte Cantuccini und eine Packung Florentiner heraus. »Sind die hier recht?«
»Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass Männer vom Mars kommen und Frauen von der Venus«, lachte Stephanie. »Ich könnte die nicht im Haus haben. Also, ich könnte schon, aber dann wären sie am nächsten Tag nicht mehr da. Und wenn ich gewusst hätte, dass du die im Haus hast, dann wären sie jetzt auch weg.«
Nick grinste. »Ich werde das im Hinterkopf behalten. Übrigens ist über Nacht eine E-Mail von Vivian McKuras gekommen. Die laufen da drüben gerade voll gegen die Wand.«
»All die tolle Technik, die wir heutzutage haben, und trotzdem kann ein Mann mit einem kleinen Jungen abhauen, und es gibt keine Möglichkeit, ihn aufzuspüren?«
»Das Problem mit der Technik ist, dass Kriminelle sie genauso zu nutzen wissen, wie wir das tun. Sie denken sich Wege aus, die Technik zu umgehen. Wenn man in einem Fall wie diesem keinen verlässlichen, nachprüfbaren Hinweis eines Zeugen bekommt, dann ist die beste Möglichkeit, Täter und Opfer zu finden, wenn Kontakt aufgenommen wird, um über Lösegeld oder Freilassungsbedingungen zu verhandeln. Wenn kein Kontakt aufgenommen wird …«
Gequält biss sich Stephanie auf die Lippe.
Wütend über die eigene unbedachte Bemerkung schlug sich Nick mit der Hand auf den Schenkel. »Mein Gott, was rede ich denn da? Wie konnte ich nur so unsensibel sein? Es tut mir leid.« Er breitete die Arme aus.
Sie schüttelte den Kopf. »Ist schon gut. Ich möchte nicht in Watte gepackt werden. Ich muss realistisch sehen, was hier eigentlich passiert. Es ist schwer, aber ich möchte den Kopf nicht in den Sand stecken.«
»In Ordnung. Ich werde trotzdem versuchen, mich etwas rücksichtsvoller auszudrücken. Eine gute Sache: Ich habe McKuras gebeten, meinem Chef zu bestätigen, dass sie immer noch meine Mitwirkung brauchen. Ich habe also grünes Licht, unsere unorthodoxen Ermittlungsmethoden weiterzuführen.«
Jetzt kuschelte sie sich in seine Arme. »Das ist gut. Wann wirst du mit der Polizei in Essex reden?«
Nick blickte über ihre Schultern zu seiner Fensterwand mit der spektakulären Aussicht. »Das wollte ich mit dir noch besprechen«, sagte er langsam. »Praktisch gesehen, sollte ich so schnell wie möglich mit ihnen sprechen. Mordverdacht ist kein Thema, bei dem ein Bulle erst mal Däumchen drehen kann.«
»Ich verstehe durchaus, dass man so was bei der Polizei nicht auf die leichte Schulter nehmen würde«, meinte Stephanie säuerlich. »Ich höre da allerdings ein ›aber‹ heraus.«
»Die Spur ist schon ziemlich kalt. Und ich sehe es als unsere Hauptaufgabe an, Jimmy zurückzubekommen. Während wir in dieser Hinsicht immer noch völlig im Dunkeln tappen, möchte ich ungern etwas tun, was den Entführer provozieren könnte.«
»Du denkst, es gibt einen Zusammenhang zwischen der Entführung und dem Mord? Wie denn? Das ergibt doch keinen Sinn.«
Nick trat an den Küchentresen und begann, die Kaffeemaschine vorzubereiten. »Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Im Moment ist das alles einfach ein ganz großes Durcheinander. Es ist möglich, dass wir hier einen wahnsinnigen Stalker haben, der Leute mit
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