Der Verrat: Thriller (German Edition)
diesem Flughafengebäude in den Abflugbereich zu kommen«, beharrte Stephanie. »Ich habe das letztes Jahr bemerkt, als ich von einem Besuch bei einem Freund in Madison zurückkam. Es fiel mir auf, weil wir in Großbritannien Ankunft und Abflug wirklich strikt trennen. Aber wenn man hier mit einem Inlandsflug ankommt, wird man einfach in die Haupthalle ausgespuckt, also vermischen sich ankommende Passagiere mit abfliegenden. Der Entführer hätte von irgendeinem Ort kommen können, von dem aus dieser Flughafen angeflogen wird, und dann hätte er sich in der Toilette umziehen können.«
Sie hatte durchaus recht, dachte Vivian. Warum hatte sie selbst so schnell die falsche Schlussfolgerung gezogen? Warum war etwas, was sie doch sehr wohl wussten, ihr und Abbott nicht eingefallen? Die offensichtliche Antwort war, dass sich ihre Sorge immer auf mögliche Sicherheitsverstöße von außen bezog. Wenn man erst einmal drin war, war man definitiv verlässlich. Man war überprüft, durchleuchtet und für akzeptabel befunden worden. Warum sollte es da einen weiteren Grund zur Sorge geben? Aber Stephanie Harker hatte sich das System mit den Augen eines Outsiders angeschaut und etwas erkannt, das sie übersehen hatten. Vielleicht würde sich schließlich doch alles im Verhörraum klären. »Ich muss einen Anruf erledigen«, sagte sie, schob ihren Stuhl zurück und wählte Abbotts Nummer, während sie in den Flur hinausging.
»Wir haben uns ablenken lassen durch den Gedanken, dass jemand dem Kind folgte. Wir vergaßen dabei die ankommenden Passagiere«, sagte sie, sobald er abgenommen hatte. »Sie kommen aus allen Richtungen innerhalb der USA und gehen direkt raus in die Haupthalle. Man kann nicht unterscheiden, wer ein Ankommender ist und wer abfliegen will. Unser Typ hätte von irgendwo eingeflogen sein können.«
»Scheiße«, schimpfte Abbott.
»Wir werden die Bilder aus den Überwachungskameras zurückverfolgen müssen, um zu sehen, ob wir herauskriegen, wo er verdammt noch mal herkam«, sagte Vivian. »Wenn er von einem Flug kam, hätte er irgendetwas Beliebiges tragen können. Aber er musste sich irgendwo umziehen. Also muss er eine Toilette benutzt haben, stimmt’s?«
Abbott seufzte. »Da brauchen wir mehr Leute.«
»Fragen Sie nach bei der Security im Kontrollraum. Das hat im Moment Priorität. Das Leben eines Kindes könnte auf dem Spiel stehen. Ich gehe jetzt in den Verhörraum zurück.«
»Okay. Gut durchschaut, Vivian.«
Als Vivian diesmal Platz nahm, betrachtete sie Stephanie mit größerem Respekt. »Es wird berücksichtigt. Danke für den Hinweis. Also, können wir zu Scarlett Higgins’ Familie zurückkommen? Ich frage mich, ob sie hinter dieser Sache stecken könnte. Waren sie nicht verärgert, dass Sie schließlich das Kind bekamen? Und wahrscheinlich auch das Geld? Ich nehme an, dass Scarlett Ihnen das Geld hinterlassen hat? Für Jimmy?«
»Ha«, sagte Stephanie. »Schön wär’s. Zuerst waren sie tatsächlich verärgert. Als sie dachten, es gäbe Geld. Aber sie verschwanden komplett von der Bildfläche, als ihnen klar wurde, dass Scarlett ihr ganzes Geld einer Wohltätigkeitsstiftung vererbt hatte. Die gründete sie, nachdem sie entdeckt hatte, dass sie krebskrank war. Ich bekam das Kind. Nicht das Geld.«
»Jimmy hat nicht geerbt? Sicher hat sie Ihnen doch etwas hinterlassen, um für ihn sorgen zu können? Nur um die Rechnungen zu zahlen.«
Stephanie schüttelte den Kopf. »Nicht die Bohne.« Ihr Lächeln war gequält.
»Das ist ja total merkwürdig.«
»Wem sagen Sie das? Ihre Begründung war, dass sie selbst mit nichts anfing, und das hätte sie angespornt, etwas aus sich zu machen. Sie fand, es sei nicht gut für Kinder, wenn man sie mit Geld eindeckt.«
Vivian wusste nicht, ob sie beeindruckt oder entsetzt sein sollte. »Ihre Familie hatte also wirklich kein Interesse an dem Jungen?«
Stephanie seufzte. »Ihre Mutter ist Alkoholikerin, und ihre Schwester, der man schon ein Kind weggenommen hat, um es zu Pflegeeltern zu geben, ist ein Junkie. Selbst wenn sie Jimmy gekannt hätten, was nicht der Fall war, hätte kein Richter bei klarem Verstand ihnen erlaubt, auch nur in seine Nähe zu kommen.«
Vivian schüttelte den Kopf. »Das heißt nicht, dass sie ihn nicht haben wollten. Blut ist schließlich dicker als Wasser.«
»In der Familie Higgins ist Geld dicker als Wasser. Und da für sie kein Geld dabei herausspringen würde, war ihnen Jimmy völlig egal.«
»Wieso ist der Junge dann bei
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