Der Verrat: Thriller (German Edition)
schwierig werden«, meinte Charlie. »Nicht sehr empfänglich für Vernunftgründe. Und die Familie seiner Mutter?«
»Scarlett hatte geradezu einen Tick, dass sie nichts mit Jimmy zu tun haben dürften. Die Oma ist ’ne Alkoholikerin und die Tante ’n Junkie. Laut Stephanie haben sie sich nach Scarletts Tod einen Anwalt genommen, weil sie dachten, dass es zusammen mit Jimmy Geld geben würde. Sobald sie herausfanden, dass Scarlett ihr ganzes Vermögen einer Wohltätigkeitsorganisation hinterlassen hatte und dass Jimmy, was das Finanzielle anging, nur eine Last sein würde, verschwanden sie von der Bildfläche. Sie haben weder die Mittel noch den Verstand, so etwas wie diese Entführung zu organisieren, selbst wenn sie den Jungen haben wollten. Es gibt noch eine andere Tante, Leanne, aber sie lebt in Spanien, und Stephanie hat sie seit Scarletts Tod nicht mehr gesehen oder von ihr gehört. Sie hat keinen Versuch gemacht, mit dem Kind in Verbindung zu bleiben.«
»Du schließt also die Familie der Mutter aus. Und die Familie des Vaters ist unwahrscheinlich. Wie steht’s mit Angestellten?«
»Was meinst du mit ›Angestellten‹? Stephanie hat keine Angestellten. Sie ist Autorin, kein Filmstar.« Die kurz bei ihm aufkommende Belustigung konnte Nick trotz der Situation nicht unterdrücken.
»Ich weiß, es klingt bescheuert, aber ich habe kein anderes Wort für das, was ich meine. Putzfrau. Tagesmutter. Der Mann vom Hausmeisterservice. Leute, die ins Haus kommen oder zu denen Jimmy geht.«
Nick machte sich eine weitere Notiz. »Er hat keine Tagesmutter. Stephanie holt ihn von der Schule ab. Sie hat ihren Arbeitsrhythmus geändert, damit sie ihn versorgen kann. Sie sagt, er hat schon so viel Aufregung im Leben gehabt, dass er jetzt Beständigkeit verdient hat. Wenn sie derzeit Interviews für ein Buch führt, legt sie alles auf zehn bis zwei.« Er lächelte bei dem liebevollen Gedanken an sie. »Sie sagt, sie wünschte, sie wäre schon vor Jahren darauf gekommen.«
»Okay. Also – die Putzfrau?«
Nick verzog das Gesicht. »Ich weiß, dass sie eine hat, aber ich glaube, sie kommt, wenn Jimmy in der Schule ist.«
»Babysitter?«
»Emily. Die Tochter von Stephanies Agentin. Ich glaube wirklich nicht, dass wir uns ihretwegen sorgen sollten.«
»Wahrscheinlich nicht. Du sagtest, der Junge ist fünf?«
»Stimmt.«
»Gab es jemanden, der sich größtenteils um ihn kümmerte, als Scarlett noch lebte? Diese Person hätte er wahrscheinlich noch so gut in Erinnerung, dass er ihr vertrauen würde.«
Nick dachte zurück an die Zeit, als er den Haushalt kennenlernte, der ihm damals chaotisch vorkam. Nach und nach hatte er jedoch gemerkt, dass es ganz anders war. »Die Person, die alles im Griff hatte, war Marina. Sie war Haushälterin, Tagesmutter und Köchin. Ohne sie hätte sich alles in Wohlgefallen aufgelöst. Aber sie ist ganz klar aus dem Rennen.«
»Wieso sagst du das?«
»Scarlett hat ihr Geld einer wohltätigen Stiftung hinterlassen, die ein Waisenhaus in Rumänien unterstützt. Als Scarlett wusste, dass sie sterben würde, schickte sie laut Stephanie Marina als Beauftragte der Stiftung dorthin. Im Grunde, damit Marina das Haus korrekt führt, weil sie ja aus Rumänien stammt. Scarlett wollte jemanden haben, der die Verhältnisse dort kennt, aber finanziell nicht davon abhängt, dass sie sich mit den Einheimischen gutstellt.«
»Und weißt du, ob sie noch dort ist?«, fragte Charlie.
Nick notierte sich wieder etwas. Seine Liste begann erschreckend lang auszusehen. »Ich kann nachfragen. Aber warum sollte sie sich in so etwas hineinziehen lassen?«
»Vielleicht fehlt ihr Jimmy. Wenn sie ihn in den ersten vier Lebensjahren umsorgt hat, war es bestimmt schmerzlich, ihn zu verlassen. Vielleicht hatte sie keine hohe Meinung von Stephanies Fähigkeiten, was Kinderbetreuung betrifft. Du musst sie dir anschauen, Nick. Sie ist jemand, dem Jimmy bedingungslos vertraut hätte. Wenn sie eine Möglichkeit gefunden hätte, sich ihm zu nähern, hätte sie ihn mit dem Mann bekanntmachen können, der ihn mitnahm. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, ihn darauf vorzubereiten.«
»Das scheint doch ein bisschen weit hergeholt«, wehrte er ab.
»Dieses ganze Szenario ist weit hergeholt«, antwortete Charlie. »So in aller Öffentlichkeit. Zu vieles hätte schiefgehen können. Es ist ausgesprochen dreist.«
»Deshalb hatte ich, bevor ich mit dir sprach, eher an Pete Matthews gedacht«, sagte Nick. »Er ist ein Tyrann,
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