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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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dass ich selbst, je nachdrücklicher ich Scarlett diesen Ratschlag erteilte, es desto weniger schaffte, ihn auf mein eigenes Leben anzuwenden.
    Für mich machte es keinen großen praktischen Unterschied, ob ich draußen in der Hazienda oder in meiner eigenen Wohnung war. Von den Interviews abgesehen, konnte ich überall arbeiten, wo ich eine Tür hinter mir zumachen und mich von der Welt draußen absetzen konnte. Jetzt, wo Joshus Sound-Equipment nicht mehr da war, stand der von ihm früher genutzte bessere Gartenschuppen hinterm Haus leer. Wenn ich morgens in Scarletts Gästezimmer aufwachte, ging ich mit meinem Laptop dort raus und setzte mich mit meinen Kopfhörern hin, um meine Interviews zu transkribieren. Wenn Scarlett bei den Aufnahmen war, fuhr ich nach dem Lunch zu meinem eigenen Haus zurück und blieb einen oder zwei Tage dort. Alles hing so ziemlich vom Zufall ab, und ich merkte bald, dass Pete das nicht behagte, wie sehr es mir auch passen mochte.
    Es fing damit an, dass er an allem, was ich tat, etwas auszusetzen fand. Das Gemüse, das ich kaufte, war nicht richtig frisch, das Fleisch hätte von besserer Qualität sein können, der Wein war ein lausiger Jahrgang. In der Wohnung war es entweder zu warm oder zu kalt. Dann wurde es persönlicher. Offenbar sollte ich mal wieder zum Friseur oder zur Fußpflege gehen oder mir eine komplette neue Garderobe zulegen. Im Bett war ich zu anspruchsvoll, zu passiv oder hatte zu viel an seiner Leistung auszusetzen. Nicht nur war es ein ständiger Eiertanz, sondern ich fühlte mich von allen Seiten eingeengt. Immer wenn ich mit ihm zusammen war, war ich unruhig und beklommen. Und wenn jemand, den man liebt, ständig etwas an einem auszusetzen hat, ist es natürlich schwierig, nicht das Gefühl zu haben, irgendwie daran schuld zu sein.
    Im Rückblick verstehe ich jetzt, dass es dabei immer um Macht und Kontrolle ging. Pete konnte meine Freundschaft mit Scarlett nur auf sich selbst bezogen sehen. Jeder Abend, den ich mit ihr verbrachte, untergrub in seinen Augen unsere Beziehung. Warum sollte ich lieber mit jemandem zusammen sein, den er verachtete, wo ich doch zu Hause sitzen und darauf warten konnte, dass er eventuell kam? Aber damals bemühte ich mich nur allzu sehr, seinen Gesichtspunkt zu verstehen. Er arbeitete schwer, und wenn er Freizeit hatte, wollte er sie mit mir verbringen. Das war ein Fortschritt im Vergleich zu vielen Männern, mit denen ich im Lauf der Jahre eine Beziehung versucht hatte. Und es gab noch zärtliche und humorvolle Momente, die über den Ärger hinweghalfen und mich überzeugten, alles sei meine Schuld.
    Aber als ich mich bei Scarlett zum Arbeiten eingerichtet hatte, begann sich Petes Aggression zu verschärfen. War ich nicht da, wenn er frei hatte und mit mir zusammen sein wollte, schickte er mir pampige SMS. Ich hatte ihm gesagt, er sei auf der Hazienda willkommen, aber bei dem Gedanken grinste er nur spöttisch. »Warum sollte ich meine Abende in einem Hexenhaus verbringen?«, war eine seiner Antworten. »Ihr Hexen habt eure Voodoo-Magie gegen Joshu eingesetzt. Ich gebe euch nicht die Gelegenheit, das auch mit mir zu machen.«
    All das konnte ich ertragen. Eigentlich tat er mir leid. Es musste einen Grund geben, weshalb jemand, der sich so liebevoll verhalten konnte, dass es einen fast erdrückte, auch so schroff sein konnte. Der einzige Grund, den ich mir vorstellen konnte, war, dass er einen Verlust erlitten hatte. Und das hieß, dass ich ihm immer und immer wieder verzieh. Im Stillen machte ich mir Vorwürfe, dass ich so wenig Mitgefühl empfand.
    So handeln missbrauchte Frauen – und Kinder – ständig. Sie finden einen Mechanismus, wie sie sich selbst die Schuld geben können, einesteils, weil sie von Natur aus gutmütig sind, andererseits, weil der Täter ihnen dies als die richtige Reaktion einimpft. Ich gab mir selbst die Schuld für Petes Zorn.
    Aber als er anfing, mich jedes Mal anzuschreien, wenn ich seine unmöglichen Erwartungen nicht erfüllte, kam ich zur Vernunft. Denn ich habe Glück, verstehen Sie. Ich wuchs in einem Haushalt auf, in dem die Erwachsenen einander respektierten. Sie erzogen mich dazu, mich selbst zu respektieren. Und ich wusste, dass Pete eine Grenze überschritten hatte. Welche Vorgeschichte er hier auch verarbeitete, sie hatte ihn zu weit getrieben. Ich versuchte, ihm dies zu erklären, aber er hörte nicht auf mich. Er schrie mich immer nur weiter an. Schließlich gehörte ich ihm und musste lernen,

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