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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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aus ganz anderem Holz geschnitzt war als die Person, für die alle Welt sie hielt. Was die Medien betrifft, so waren sie total schockiert. Scarletts Ansehen war nie höher gewesen. Überall erschienen Kurzbiographien von ihr, in denen ihre bewegte Vergangenheit als jugendliche Fehltritte dargestellt wurde. Keines der Boulevardblätter grub auch nur ein Stück Dreck aus, erstaunlicherweise, wenn man die Tendenz der britischen Medien bedenkt, jeden in seine Schranken zu weisen, der es wagt, sich über die Herde zu erheben.
    Ich sagte dies zu George, während wir beim Start von TOmorrow, der von Scarlett gegründeten wohltätigen Stiftung zur Unterstützung des Waisenhauses Timonescu, unseren Sekt tranken und unsere Häppchen genossen. »Der Grund ist nicht, dass niemand es versuchen würde«, entgegnete er. »Aber Scarlett hat die Abgrenzung von ihrer Vergangenheit so gut hinbekommen, dass ihre Mutter und ihre Schwester wirklich keine möglichen Enthüllungen haben. Der Teil ihrer Geschichte, den sie kennen, wird in Ihrem ausgezeichneten Buch am gründlichsten behandelt.« Er stieß mit mir an. »Sie haben der Öffentlichkeit gerade genug von dem Elend berichtet, um es interessant zu machen und um Scarletts Familie die Möglichkeit zu schädigenden Äußerungen zu nehmen. Die Boulevardzeitungen können nicht den Spruch vom herzlosen Biest bringen, weil sie ihnen ein sehr annehmbares Haus gekauft hat, in dem sie wohnen können. Und sie bezahlt immer noch die Gemeindesteuer und die Strom- und Wasserrechnung. Sie hat sehr schlau vorgebaut.«
    »Aber da ist noch Joshu«, sagte ich. »Macht der Ihnen keine Sorgen?«
    George schniefte. »Wegen seiner Drogen? Ich glaube eher, dass Scarlett sich ausreichend abgesichert hat, um Joshu zum Stillhalten zu bewegen.«
    Das hoffte ich. Man musste schon sehr grausam sein, um Scarlett übel zu wollen, jetzt, da sie aus gutem Grund auf der Höhe des Erfolgs schwamm. Aber so, wie sich die Dinge entwickelten, erwartete ich die Katastrophe aus der ganz falschen Richtung.

29
    N ick hatte schon früh während seiner Karriere bei der Polizei gelernt, dass niemand es schätzte, wenn ein Polizist am späten Abend vor der Haustür erschien, außer wenn es wirklich um Leben und Tod ging. Er vermutete jedoch, dass er bei Joshus Eltern zu jeder Zeit unerwünscht wäre. Sie waren nicht verpflichtet, mit ihm zu sprechen, und er erwartete, dass sie von ihrem Verweigerungsrecht Gebrauch machen würden, nicht zuletzt, weil sie sein Gesicht mit der Ermittlung zum Tod ihres einzigen Sohnes in Verbindung bringen würden.
    Aber es gab andere Informationsquellen, um etwas über die Verhältnisse der Familie Patel zu erfahren. Bei den Nachforschungen zu Joshus Tod hatte Nick auch mit Joshus beiden Schwestern gesprochen. Anders als ihr Bruder waren Asmita und Ambar den Ambitionen ihrer Eltern gerecht geworden. Asmita war Buchhalterin bei einer internationalen Unternehmensberatung. Ambar war gerade dabei gewesen, sich als Anwältin zu qualifizieren und sich auf Steuerrecht zu spezialisieren. Bestürzt, aber nicht überrascht über den Tod ihres Bruders, sprach Ambar über ihn mit einem Überdruss an der Welt, der bei einem so jungen, so privilegierten Menschen deprimierend wirkte. Sie gab zu verstehen, man hätte gewusst, dass es mit ihm ein schlimmes Ende nehmen werde. »Wir haben uns vor Jahren von ihm losgesagt. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er uns alle verachtete, und offen gesagt, ich hatte genug davon. Als er sich dann mit dieser widerwärtigen Frau einließ, da war das Maß voll. Ich habe meinen Freunden nicht einmal gesagt, dass wir verwandt sind.« Es war ein bedrückender Nachruf auf einen jungen Mann, der aus Nicks Sicht im Grunde genommen harmlos gewesen war. Ein hoffnungsloser Fall, vielleicht. Aber kein schlechter Mensch. Nicht nach den Maßstäben, die Nick gewöhnt war.
    Asmita war bekümmerter gewesen. »Ich denke immer noch daran, was für ein lustiger kleiner Junge er war«, sagte sie. »Mein lieber kleiner Bruder. Ich wünschte, meine Eltern hätten ihn nicht aus unserem Leben verstoßen. Wir hätten für ihn da sein sollen.« Die Reue nagte an ihr, das war klar. Mehr als der Zynismus ihrer Schwester deprimierte Nick jedoch, dass diese erwachsene Frau nicht den Mut gehabt hatte, ihren Eltern die Stirn zu bieten und den Kontakt mit ihrem Bruder aufrechtzuerhalten, der ihr eindeutig nicht gleichgültig gewesen war. Nick war nicht sentimental; er glaubte nicht, dass Asmita Joshu

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