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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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vor seinem brennenden Drang nach Selbstzerstörung hätte erretten können. Aber er fand nicht, dass Joshu es verdient hatte, so gewaltig in Ungnade zu fallen, und er nahm sich vor, Asmita dies zu verstehen zu geben. Wenn irgendjemand in der Familie Patel mit ihm reden würde, dann wäre sie es.
    Diese Zeit am Abend war nicht ideal, aber eine Kindesentführung veränderte alle Regeln. Er hoffte, Asmita würde das einsehen. Laut dem Register der Kommunalsteuer hatte sie immer noch die gleiche Adresse. Während er sich ihrer Wohnung näherte und Adrian Leggs’ vielstimmige Gitarre aus seinen Lautsprechern dröhnte, nahm Nicks Erinnerung an Asmitas Wohnung Form an. Sie wohnte in einem Gebäude, das vormals eine Grundschule gewesen und im Jahr von Queen Victorias sechzigstem Thronjubiläum erbaut worden war, was wahrscheinlich den überspannten Baustil erklärte. Es ähnelte mehr einer Kirche mit dem Anspruch, eine Kathedrale zu sein, als einer Erziehungsfabrik für die Kinder der armen Londoner Bevölkerung. Nick hielt auf dem Parkplatz an, der ursprünglich der Mädchenschulhof gewesen war, und fand im hintersten Winkel einen Platz für Gäste.
    Asmitas Wohnung lag in der früheren Grundschule für die unteren Klassen, die das obere Stockwerk des Kirchenschiffs einnahm, wäre es wirklich eine Kirche gewesen. Er erinnerte sich an die hohen Bogenfenster, eine geriffelte Holzdecke wie ein umgedrehtes Boot und überall Holz, Holzböden, getäfelte Wände, Möbel in darauf abgestimmten Nuancen. Er drückte auf den Knopf der Sprechanlage und wartete. Die Stimme, die ihm antwortete, klang bestimmt und etwas verdrießlich. »Ja? Wer ist da?«
    »Ms Patel? Hier ist Detective Sergeant Nicolaides von der Met. Ich sprach mit Ihnen, nachdem Ihr Bruder starb. Es tut mir leid, Sie so spät noch zu stören, aber ich müsste mit Ihnen reden.«
    »Hat das nicht bis morgen Zeit? Wissen Sie nicht, wie spät es ist?«
    Nick bemühte sich um die richtige Mischung aus Bedauern und Nachdrücklichkeit. »Leider ist es dringend. Ich wäre sonst nicht so spät am Abend noch gekommen.«
    Die einzige Antwort war das laute Summen des Türöffners. Es kam so abrupt, dass er es fast verpasst hätte. Im Treppenhaus gingen Lichter an, während er die Treppe zur Wohnungstür hochstieg. Die Wände waren mit breiten Streifen in warmen Erdtönen gestrichen – ein Willkommensgruß und dazu noch ein Zeichen guten Geschmacks.
    Asmita stand wartend in der Türöffnung. Sie trug einen langen Kaftan mit einer Kapuze. Nick hatte arabische Männer etwas Ähnliches tragen sehen, wusste aber nicht, wie es sich nannte. Der Stoff hatte verschiedene Farbtöne, Safrangelb, Zimtbraun und Schoko, mit goldenen Fäden durchwirkt, die aufleuchteten, wenn sie sich bewegte. Ihr Haar wurde oben auf dem Kopf von einem Haargummi zusammengehalten und ließ ihre Ähnlichkeit mit ihrem verstorbenen Bruder mehr hervortreten, als wenn es lose herunterhing. Ihre Augen sahen müde aus, das Gesicht verhärmt. Sie hatte sich schon abgeschminkt, war fertig, um zu Bett zu gehen. »Kommen Sie rein«, sagte sie. Es klang aber mehr nach »Hau ab«.
    Er folgte ihr in das Wohnzimmer, wo weiche Sofas auf einen riesigen Flachbildfernseher ausgerichtet waren. Dahinter stand ein langer Tisch an der Wand, der offensichtlich als Schreibtisch diente. Ordentliche Papierstöße lagen zu beiden Seiten eines ultradünnen Laptops. Zwei kleine Lautsprecher standen auf dem Schreibtisch und spielten leise minimalistische Klaviermusik. Es war die Art von akustischer Tapete, die Nick aus ganzer Musikerseele verachtete.
    Asmita stand bei den Sofas, eine Hand auf der Hüfte, die Lippen aufeinandergepresst. Es sah nicht aus, als werde sie ihn auffordern, Platz zu nehmen. Vielleicht hatte er letztes Mal seine Aufgabe doch nicht so gut erledigt, wie er gedacht hatte. »Was führt Sie her?«, fragte sie.
    »Ich arbeite an einer Ermittlung, die …« Er zuckte mit den Schultern und hob beschwichtigend die Hände. »Es ist sehr unwahrscheinlich, aber wir haben nur wenige Anhaltspunkte, deshalb bin ich gekommen.« Nick versuchte es mit seinem treuherzigsten Hundeblick, von dem man ihm glaubhaft versichert hatte, er rühre garantiert jedes Herz.
    Aber Asmita war nicht gerührt. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Ich mach es kurz«, erwiderte Nick. »Ihr Neffe ist entführt worden.«
    Ihre Augen weiteten sich, und sie öffnete den Mund. »Rabinder?« Sie führte die Hände zum Gesicht und presste sie gegen die

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