Der Verrat: Thriller (German Edition)
größtes Werk der Großmut. Als Jimmy fast drei war, wurde sie eingeladen, an dem Caring-for-Kids -Spendenmarathon im Fernsehen teilzunehmen.
Die ursprüngliche Idee war ein optimistischer Bericht gewesen. Scarlett sollte Rumänien besuchen und zeigen, wie viel besser die Zustände in den Waisenhäusern waren, die die Welt nach dem Fall des Ceaucescu-Regimes schockiert hatten. Und in dieser Darstellung der Entwicklung steckte viel Wahres. In Großbritannien gespendetes Geld hatte geholfen, das Leben Tausender Kinder und Behinderter zu verändern. Der bloße Gedanke an die Lebensumstände, zu denen sie verdammt gewesen waren, verursachte den meisten Menschen hier Alpträume. Aus Rumänien hörte man, dass diese höllischen Einrichtungen der Vergangenheit angehörten, und Scarlett sollte diese Tatsache bekanntmachen und würdigen, um den Zuschauern zu zeigen, dass ihre Spenden vor Ort etwas bewirkten.
Aber dann hörte ein investigativer Journalist, dass die Dinge nicht so prima waren, wie die rumänischen Behörden uns glauben ließen. Er fuhr anonym hin und fand heraus, dass die schlimmsten Heime zwar geschlossen worden waren; doch in abgelegenen Teilen des Landes gab es noch Zustände, die die Heimleiter wegen Verstößen gegen die Menschenrechte vor Gericht gebracht hätten, hätten die Einrichtungen in Kriegszonen gelegen.
Bevor sein Bericht gesendet wurde, lud man Scarlett ein, sich den Film anzuschauen. Sie sagte mir später, das sei das Grauenhafteste gewesen, was sie je gesehen hätte. »In einem Raum, da waren mindestens zwanzig behinderte Teenager an den Betten festgebunden, die in ihrer eigenen Pisse und Scheiße lagen, zu Skeletten abgemagert. Mir wurde schlecht, Steph. Und die kleinen Kinder, die im Schnee mit Steinen und Stöcken spielten, weil sie kein einziges Spielzeug besaßen. Ihre Kleider waren zerlumpt. Sie waren schmutzig und verdreckt, manche hatten offene Wunden. Alle waren von ihren Eltern verlassen worden. Viele hatten Aids.« Ihr kamen die Tränen, als sie darüber sprach.
»Und ich dachte an meinen Dad und dass ich eines dieser Babys hätte sein können, die mit Aids geboren wurden. Aber ich habe dieses wunderbare Leben, mit Jimmy und meinem schönen Haus und meiner Karriere und Geld auf der Bank. Und ich dachte, verdammt, Steph, da muss ich etwas tun.«
Sie bestand darauf, dass sie, anstatt ein rosiges Bild von der erfolgreichen Veränderung im Leben Tausender zu malen, mit dem Journalisten dorthin zurückfahren und sich der schrecklichen Realität stellen würde, die Hunderte immer noch durchlitten. Scarlett ging es nicht um das, was erreicht worden war, sondern sie wollte deutlich vor Augen führen, wie viel noch zu tun blieb. Jemand anderes konnte die fromme fröhliche Botschaft überbringen. Sie würde sich direkt an die vorderste Front begeben.
Es war eine erstaunliche Entscheidung. Die Frau, die man als hirnlose Spießerin abgetan hatte, hatte die ultimative Veränderung durchlaufen. Sie redete nicht nur so daher, als wollte sie sich einsetzen. Sie war bereit, aufzustehen und für ihre Meinung einzutreten. Und so fuhr sie also zum Waisenhaus Timonescu in den transsylvanischen Bergen und stellte sich dem Schrecken ohne Wenn und Aber. Sie sprach vor laufender Kamera, während ihr Tränen über das Gesicht rannen, und schwor, sie werde alles tun, was in ihrer Macht lag, um etwas zu ändern. »Ich will, dass mein Sohn, wenn er größer ist, stolz sein kann auf seine Mum. Nicht wegen ihrer Fernsehkarriere, sondern weil sie hilft, das Leben dieser Kinder zu verbessern«, sagte sie mit fast versagender Stimme.
Dies wurde als Teil des Spenden-Marathons für Caring for Kids im Fernsehen gesendet und schlug hohe Wellen. Denn die Schockwirkung, dass ein solches Dokument von jemandem wie Scarlett präsentiert wurde, war fast ebenso groß wie die der Filmaufnahmen selbst. Ich war mit ihr und Leanne an diesem Abend in der Hazienda, und sie war so stolz auf sich. »Um Timonescu zu unterstützen, werde ich eine Stiftung errichten«, sagte sie. »Mit George habe ich darüber schon gesprochen, und er erledigt den ganzen Papierkram. Ich werde ein Zehntel meines Einkommens spenden und jemanden beauftragen, der Spendenaktionen organisiert. All die Frauen da draußen, die jeden Tag in ihre Fitnessgruppen gehen, die werde ich dazu bringen, die Kosten für eine Woche Training zu spenden und etwas im Leben eines Kindes zu bewirken.«
Selbst ich war verblüfft, und ich wusste ja schon, dass Scarlett
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