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Der verruchte Spion

Der verruchte Spion

Titel: Der verruchte Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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jeglichen Einkauf für Willa von ihr absegnen zu lassen, verabschiedete er sich von ihr mit einem schnellen Dankeskuss. Er hatte das Haus verlassen und war schon auf halbem Weg über den Rasen zu den Stallungen, als ihm auffiel, dass er nach einer Kutsche hätte läuten sollen. Es war schon seltsam. Er hatte sich so sehr daran gewöhnt, alles selbst zu machen, dass es ihm jetzt unsinnig vorkam, einem Diener Bescheid zu geben, damit der einem anderen sagte, er solle den Brougham anspannen lassen.
    Er war schon fast angekommen, und es fühlte sich auf jeden Fall gut an, aus dem Haus herauszukommen. Als er um die Mauer auf den gepflasterten Hof vor den Stallungen bog, sah Nathaniel seinen Vetter Basil aus dem Gebäude treten.
    Sein Vetter war fast so groß wie er, neigte aber, da er keiner regelmäßigen Beschäftigung nachging, zum Bauchansatz. Basil war von Natur aus eine Nervensäge, aber Nathaniel hielt ihn für harmlos. Als Nathaniels Erbe verbrachte Basil seine Tage in der Erwartung, irgendwann einmal Lord Reardon zu sein, und schrieb deshalb einen Schuldschein nach dem nächsten. Basil und Schulden waren inzwischen fast Synonyme.
    »Hallo, Thaniel«, begrüßte ihn Basil träge, aber ohne Groll. »Habe gehört, dass du letzte Nacht hier angekommen bist.«
    »Hallo, Basil.« Nathaniel konnte der Versuchung nicht widerstehen. »Habe gehört, man darf gratulieren.«
    »Oh, ja. Daphne.« Basil beäugte ihn etwas argwöhnisch. »Nun, du hast sie nicht gewollt, Alter.«
    »Ich wollte sie sehr wohl«, entgegnete Nathaniel grimmig.
»Ich wollte ihr bloß meine Schande nicht zumuten.« Aber aus irgendeinem Grund tat es nicht so weh, wie es gesollt hätte. Verglich man die beiden mit einem Kunstwerk, so entsprach Willa einem ausdrucksstarken Ölgemälde, während Daphne nichts als ein pastelliges Aquarell war.
    »Hmm, ja, da du gerade davon sprichst …« Basil verzog das Gesicht. »Ich hoffe, du hast nicht vor, allzu lange zu bleiben. Wir erwarten in ein paar Tagen Gäste. Wir wollen dann alle zusammen nach Norden fahren.«
    Nathaniels Mundwinkel zuckte. Es sah ganz danach aus, als könnte ihn seine Familie nicht schnell genug wieder loswerden. »Immer noch der alte, gastfreundliche Basil, wie ich sehe.«
    »Ach, du weißt doch, wie die Leute sich verhalten, wenn sie dich sehen. Du verdirbst uns anderen einfach jeden Spaß.«
    »Tatsächlich? Dabei dachte ich, du würdest mein Exil eher genießen.«
    »Ich versuche nur, das Beste aus einer schlechten Situation zu machen, das ist alles, alter Junge. Aus einer wirklich schlechten Situation.«
    »Sei still, Basil«, sagte Nathaniel müde. »Wenn du nur den Mund aufmachst, würde ich dir am liebsten eine reinhauen.«
    Basil sagte nichts mehr, aber Nathaniel konnte schwören, dass sein Vetter darauf brannte, ihm noch etwas mitzuteilen. Er seufzte. »Raus mit der Sprache, Basil.«
    Basil zuckte die Achseln. »Dachte, es könnte dich vielleicht interessieren. Die Stallburschen haben in der Nacht jemanden ums Haus schleichen sehen. Eine schrecklich verunstaltete Person, sagen sie. Sie haben versucht, ihn zu fangen, aber er war wohl unglaublich flink für einen verkrüppelten Bettler. Die Burschen meinen, er hätte versucht, durchs Küchenfenster einzusteigen.«

    John Day. Verdammt! Offenbar hatte er sich in dem Mann getäuscht.
    Wenigstens hatte er Willa nie mit ihm allein gelassen – oder doch?
    Wie auch immer, es war an der Zeit, Maßnahmen zu ergreifen. Nathaniel rief nach der geschlossenen Kutsche und einem zusätzlichen Wachmann, der ihnen vorausreiten sollte. Wenn er Willa mit in die Stadt nahm, durfte er sie keinerlei Gefahr aussetzen. Kopfschüttelnd trug Nathaniel einem der offenkundig vor Neugier fast umkommenden Stallburschen auf, sicherzustellen, dass der Wachmann bewaffnet war.
    Es war an der Zeit, sich der Stadt zu stellen.
     
    Die Stadt war faszinierender, als Willa sie sich jemals hätte vorstellen können. Als sie am vergangenen Abend hindurchgeritten waren, war sie so erschöpft gewesen, dass sie außer dem Nebel und dem rußigen Geruch kaum etwas wahrgenommen hatte.
    Jetzt fuhren sie in der geschlossenen Kutsche durch die Straßen, bogen mal nach rechts, mal nach links ab, bis Willa nie im Leben den Weg zurückgefunden hätte.
    Die Straße war voller Kutschen, Reiter und Fußgänger, und es schien keine Regeln für den Verkehr zu geben, außer dem Recht des Schnelleren.
    So viele Leute. Intellektuell hatte Willa eine Vorstellung davon gehabt, wie viele

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