Der verruchte Spion
Abend brauchen. Ich bezweifle, dass wir etwas kaufen werden, das so elegant ist.«
Lily riss die Augen auf. »Miss, ich glaube kaum, dass Ihr irgendetwas anderes kaufen werdet! Bald werdet Ihr Lady Reardon sein. Ihr müsst euch entsprechend kleiden.«
»Oh, wie ermüdend. Ich wollte eigentlich nur ein bisschen Unterwäsche und ein paar neue Musselinkleider.«
»Miss … Mylady … wollt Ihr nicht, dass Mylord stolz auf Euch ist?«
Von dieser Seite hatte Willa es bisher noch nicht betrachtet. Sie strich über die Seide, unfähig, der Versuchung zu widerstehen, die von dem feinen Stoff ausging. Wenn sie es sich recht überlegte, wollte sie unbedingt, dass Nathaniel stolz auf sie war.
Sanft klopfte es an der Tür. Sie verdrängte ihre Gedanken und ging die Tür öffnen. Eine höflich lächelnde Daphne stand dort mit den Armen voller Kleidung.
»Guten Morgen, Miss Trent.«
»Willa, bitte.«
Daphne verrutschte das Lächeln. »Dann nennt Ihr mich selbstverständlich Daphne.«
Sie hielt Willa ihre Last wie eine Opfergabe entgegen. »Lily hat mir erzählt, dass Ihr einkaufen gehen wollt, und da dachte ich mir, dass Ihr vielleicht etwas … weniger Ausgefallenes tragen möchtet.«
Willa schaute an sich herunter. Sie musste sich eingestehen, dass sie in diesem Aufzug wahrscheinlich froh sein durfte, wenn irgendjemand sie über die Schwelle seines Ladens ließe. Gerne hätte sie behauptet, sich nichts aus Kleidung zu machen. Sie hatte bisher noch nichts Feines gebraucht – nicht um im Wirtshaus zu helfen oder über die Felder zu streifen.
Aber leider hatte sie eine echte Schwäche für schöne Dinge. Nur fehlte ihr die Natur, darin elegant auszusehen.
Die Kleidungsstücke, die Daphne Lily reichte, waren hauptsächlich zum Drüberziehen. Eine Redingote aus lieblicher blauer Seide. Ein dunkelgrüner Taftmantel und einer in Schwarz. Ein Haufen Tücher und Schals und eine kleine Auswahl an Häubchen.
»Es ist heute sehr feucht draußen, deshalb ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn Ihr etwas tragt, das Euer Kleid vollständig bedeckt.«
Es war nett von ihr, so etwas zu sagen, und noch netter, dass sie überhaupt daran gedacht hatte. Willa lächelte ihr zu. »Danke. Ihr seid sehr großzügig.«
Daphne nickte höflich, lächelte aber nicht wirklich. »Es ist mir eine Freude. Ich … es tut mir Leid, dass ich so dumm auf die Nachricht Eurer Verlobung reagiert habe. Ich war ehrlich erstaunt. Wer hätte schon gedacht, dass er je heiraten würde?« Sie schaute auf Willas ungeschmückte Finger. »Habt Ihr Euren Ring verlegt?«
Willa war nicht auf den Schmerz gefasst, den diese Frage ihr bereitete. Sie war sich sicher, Nathaniel würde sich bald
an den Verlobungsring erinnern. In der Zwischenzeit … »Nathaniel sagte, er wolle hier in der Stadt etwas aussuchen. Wir hatten in Derryton keine große Auswahl.«
Sie war über sich selbst erstaunt. Warum diese schockierende Lüge? Vielleicht wegen der Ungeschicklichkeit, mit der diese Frage von der damenhaftesten Person geäußert wurde, die Willa jemals getroffen hatte. Ungeschicklichkeit oder Falschheit?
»Oh, meine Liebe«, entschuldigte sich Daphne geziert. »Wie unhöflich von mir. Ich bin mir sicher, dass Thaniel etwas Entzückendes hier in der Stadt für Euch finden wird.«
Willa kniff die Augen zusammen. Hm. Die Entschuldigung klang ernst gemeint. Aber wirklich sicher war sie sich nicht.
Dann trat Lily mit einem weiteren Arm voller Kleidungsstücke herein, und das Spiel konnte beginnen.
Vieles war zu kurz, und die Redingote ließ sich über Willas Busen nicht schließen, aber dann erwies sich ein Mantel aus der letzten Saison als lang und weit genug, dass Willa hineinpasste. Schnell entschied sie sich für ein Häubchen und war startbereit.
Sogar die zurückhaltende Daphne war von der Idee recht angetan, ganz von vorne anfangen zu können.
»Stellt Euch vor, nichts anziehen zu müssen, das man schon so schrecklich leid geworden ist«, sagte sie versonnen. »Dieses Morgenkleid hier habe ich schon sechsmal getragen.«
Willa traute kaum ihren Ohren. Sie wusste, dass eine echte Dame ihre Kleidung etwa jede Stunde wechselte, das hatte zumindest Moira immer behauptet, aber sich über sechsmaliges Tragen eines Kleides zu beschweren? Alles in allem hatte Daphne dieses Kleid weniger als einen Tag lang getragen!
Was für ein außergewöhnliches Verhalten.
Willa konnte es kaum erwarten, mit dem Einkaufen zu beginnen.
Nachdem er Myrtle versprochen hatte, sich
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