Der verruchte Spion
warf die Zigarre auf den kostbaren Teppich und trat sie mit dem Absatz aus. Dann streckte er die Beine auf dem Bett aus und verschränkte die Hände entspannt im Nacken.
»Was wollt Ihr hier?« Ren hatte endlich den Hustendrang besiegt. »Gehört Ihr zur Wache?« Er machte eine Handbewegung zur Tür hin, wo – wie er wusste – mindestens ein Bursche Wache schob.
»Ich bin gekommen, um mich für diesen Abend zu entschuldigen, mein Lieber. Nathaniel hätte Euch nicht so hart anfassen dürfen. Dieses fürchterliche Familientemperament. Manchmal überkommt es uns einfach.«
»Ich habe bemerkt, dass es Euch nicht überkam, als ich die Pistole in der Hand hielt.«
»Der bessere Teil des Heldenmutes, mein Freund. Der bessere Teil.« Basil zuckte die Achseln. »Darf mich nicht selbst in Gefahr bringen. Das ist Thaniels Aufgabe. Sich dem Wolf zu stellen, meine ich. Oder der Pistole. Nicht, dass es ihm zum Nachteil gereichte.«
Voller Bitterkeit musste Ren sich eingestehen, dass er Recht hatte. Von dem Augenblick an, da er Nathaniel Stonewell auf dem Gehsteig vor der Buchhandlung erblickt hatte, war sein Plan gewesen, ihm entgegenzutreten und zu töten. Und dann hatte er es einfach nicht tun können. Ren wurde übel. Wahrscheinlich war es ihm anzusehen, denn Basil gab ein mitleidiges Geräusch von sich.
»Geht es Euch schlechter, alter Junge? Der Arzt hat etwas Laudanum für Euch hier gelassen.« Basil stand vom Bett auf und durchquerte den Raum, um die Flasche vom
Schrank zu nehmen. »Gar nicht mal so wenig. Ihr könnt so viel haben, wie Ihr wollt.«
Ren richtete sich auf. »Nein, danke.«
Der Schlaf hatte ihn bereits Wochen seines Lebens gekostet. Und letztendlich hatte er entdeckt, dass er den die Sinne schärfenden Zustand ungemilderten Schmerzes bevorzugte.
Außerdem würde das ganze Laudanum dieser Welt nicht ausreichen, seinen Schmerz zu betäuben, es sei denn, er würde sich damit umbringen.
Das war immer noch möglich, aber in den Wochen seit seines Wachwerdens hatte Ren einen Sinn in seinem verschwendeten Leben gefunden. Er war aus einem einzigen Grund am Leben geblieben: um die zwei Männer zu töten, die die Liars betrogen hatten.
Jetzt musste er sich eingestehen, dass er versagt hatte. Er war nicht in der Lage gewesen, Lord Treason zu töten; und es schien keinen Grund dafür zu geben, James Cunnington umzubringen. Die Geschichte über Jackham erschien Ren sehr einleuchtend. Er wunderte sich nur, dass er nicht selbst schon früher darauf gekommen war. Sein Verstand war wirklich verwirrt gewesen, obgleich er sich im Augenblick sehr wach fühlte.
Es würde keine Rache für ihn geben. Nur noch ein Leben als halber Mann.
»Ich frage mich«, sagte Basil nachdenklich, »ich frage mich, wie viel Laudanum es wohl braucht, einen Mann umzubringen. Würde er es in seinem Wein schmecken, was meint Ihr?«
Ren schnaubte verächtlich. »Sir, die einzige Art, auf die Ihr jemanden umbringen könntet, wäre, ihn zu Tode zu langweilen.« Nathaniel mochte ein Verräter sein, aber sein Vetter war ohne Zweifel dumm.
Basil wirbelte herum und starrte Ren an. »Ist das der
Dank dafür, dass ich meinen Vetter davon abgehalten habe, Euch dem Magistrat vorzuführen?«
»Das habt Ihr getan?«
»Und einen Arzt habe ich für Euch rufen lassen.«
Ren musste zugeben, dass es freundlich von Basil gewesen war, sich um ihn zu kümmern und zu versuchen, ihm zu helfen. Obgleich die Wörter freundlich und Basil aus irgendeinem Grund nicht zusammenzupassen schienen.
»So wie ich das sehe, steht Ihr in meiner Schuld«, erklärte Basil.
Ren lächelte säuerlich. »Ah, selbstverständlich. Welchen Preis hat Eure Freundlichkeit?«
»Oh, ich verlange nichts für mich selbst, müsst Ihr wissen. Es geht um meine reizende Braut. Sie kann meinen Vetter nicht ertragen, wisst Ihr. Sie hat das Gefühl, dass seine pure Existenz den Ruf der Familie ruiniert. Habt Ihr jemals geliebt?«
Ren schaute ihn stumm an.
Basil stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wie Zauberei, so ist sie, die Liebe. Lässt einen Mann viele verrückte Dinge tun, um das Herz seiner Dame zu erobern.«
Die Vorstellung, dass dieser Mann irgendjemanden lieben könnte außer sich selbst, war lächerlich. Außerdem fühlte sich Ren ihm in keiner Weise verpflichtet, was auch immer er getan haben mochte.
»Basil, ich bin müde. Sagt, was Ihr wollt, oder geht einfach.«
Basil zuckte zusammen. Ren konnte sehen, wie er sich eine giftige Bemerkung verbiss.
»Also gut. Ihr scheint
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