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Der verschlossene Gedanke

Der verschlossene Gedanke

Titel: Der verschlossene Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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Oskar sich der Tatsache bewusst ist, dass eine Suche nach Liliana inzwischen vergebens ist? Und vor allem: weiß er selbst, dass sie vergebens ist? Und wenn er es nicht wüsste, warum wäre er dann hier? Am Ort des Geschehens. Am letzten Ort, den Liliana lebend betreten hat.
    „ Hier wirst du sie ganz sicher nicht finden“, sagt Kenny.
    „ Und warum bist du dann hier?“
    Er klopft sich die Hände an seinem T-Shirt ab. Dasselbe verschlissene Teil, das er auch an der Tür bei Oskars Besuch getragen hat.
    „ Lilli und ich waren früher oft hier“, antwortet er.
    „ Und jetzt glaubst du, sie hier zu finden? Mitten in einem Feld?“ Oskar schaut zum Hochsitz. Eine Art Liebesnest? „Ich dachte, sie hätte dich verlassen.“
    „ Es geht dich einen Scheiß an, warum ich hier bin.“
    „ Ich wundere mich nur“, antwortet Oskar ruhig. „Gerade noch war sie ein Flittchen und jetzt zieht es dich in romantischer Sentimentalität an diesen Ort zurück, weil du angeblich Erinnerungen damit verbindest.“
    Oskar hört ihn einatmen. Ein wütendes Schnaufen, während er einen Schritt näher kommt. Sein Blick ist auffordernd. „Gib es zu. Volker schickt dich.“
    „ Wer?“
    „ Sag ihm, dass er sie wiederhaben kann“, antwortet er. „Ich bin fertig mit ihr.“
    Bevor Oskar etwas antworten kann, dreht er sich um und verschwindet in Richtung Feldweg. Ich kenne keinen Volker, möchte er ihm nachrufen. Aber im selben Moment wird ihm bewusst, dass es nicht schaden kann, ihn in diesem Glauben zu lassen. Alles ist besser als die Wahrheit.
     
     

Kapitel 7: Schriftliches Denken
     
     
    Ihre schlanken Finger suchten sich ihren Weg von seinem Hals in das Innere seines Hemdes. Was unter dem dünnen Stoff bisher nur zu erahnen gewesen war, wurde nun zu ersehnter Gewissheit. Sein muskulöser Oberkörper schien Eins mit ihren Händen zu werden.
    „ Michelle“, flüsterte er.
    Doch sie wollte jetzt nicht reden. Worte hatten das Unausweichliche schon viel zu lange hinausgezögert. Nun war es an der Zeit zu handeln.
     
    Sein muskulöser Oberkörper schien Eins mit ihren Händen zu werden? Nein. Selbst für Oskars Verhältnisse viel zu schmalzig. Er versucht, sich an die Reaktionen und Pressestimmen zu seinem letzten Roman zu erinnern. Das Lächeln im Regen. Man hatte seine Fähigkeit, Romantik in elegante Worte zu fassen, ohne dabei je in Kitsch abzudriften, über die Maßen gelobt und ihm zugestanden, somit die Tür zum Liebesroman auch für männliche Leser ein kleines Stück weiter geöffnet zu haben. Schon jetzt hört er die Rezensenten und Kritiker diese Einschätzung gnadenlos für gegenstandslos erklären.
    Ein erneuter Blick auf die Zeilen. Was unter dem dünnen Stoff bisher nur zu erahnen gewesen war, wurde nun zu ersehnter Gewissheit. Noch schlimmer. Lennard wird ihm das Manuskript um die Ohren schlagen. Und mit Recht.
    Er hört das Knarren der Tür hinter sich. Gaby betritt mit lautlosen Schritten das Arbeitszimmer.
    „ Du schreibst.“ Sie lehnt sich von hinten über seine Schultern. „Schön. Ich hatte schon befürchtet, du würdest nur noch mit Lennard unterwegs sein.“
    Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und streicht mit den Fingern über ihre Hände. „Schreiben und schreiben sind zwei Paar Schuhe. Im Moment kann man das, was ich hier tue, allenfalls als schriftliches Denken beschreiben.“
    „ Deine Selbstkritik kann manchmal ganz schön anstrengend sein, weißt du das? Ich bin mir sicher, dass du auch diesmal für wahre Begeisterungsstürme sorgen wirst.“
    „ Nicht mit diesem Kapitel.“
    Sie küsst ihn auf die Wange. „Nein. Mit allen Kapiteln. Die Leute werden es lieben. Du wirst sehen.“
    Er lächelt. „Ich liebe deine Fähigkeit, selbst dem Hoffnungslosen etwas Positives abzugewinnen.“
    „ Weil du mit deiner Definition von hoffnungslos ja auch so weit von der Realität entfernt bist, wie man nur sein kann.“
    „ Ich wünschte, du hättest auch dieses Mal recht.“
    Sie schiebt ihn samt Drehstuhl zu sich herum. „Wie meinst du das? Ist es wirklich so schlimm?“
    „ Ich kriege meine Gedanken einfach nicht sortiert. Und wenn ich es dann tatsächlich schaffe, ein paar Zeilen aufs Papier zu bringen, lesen sie sich wie die holprigen Versuche eines Nachwuchsautors.“
    „ Ich bin sicher, dass du dir das Leben wieder einmal unnötig schwer machst, Oskar.“
    Ja. Sein Leben könnte tatsächlich einfacher sein. Doch diesmal scheint es ausnahmsweise nicht in seiner Hand zu liegen. Seit seiner

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