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Der verschlossene Gedanke

Der verschlossene Gedanke

Titel: Der verschlossene Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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fühlt er eine Art Verbundenheit zu ihr.
    „ Haben Sie eine Handynummer von Liliana?“, fragt er.
    „ Natürlich. Gerade heute Morgen habe ich wieder versucht, sie zu erreichen. Immer nur die Mailbox.“
    „ Und wollen Sie wirklich nicht die Polizei einschalten?“ Sofern sie Liliana als vermisst meldet, wird es sicher niemand als ungewöhnlich empfinden. Andererseits, inwiefern sollte ihm das aus seiner misslichen Lage helfen? Aus der Gefangenschaft zwischen fremden Gedanken. Niemand hat eine nähere Bindung zum Täter als er. Ist es dann nicht auch seine Aufgabe, ihn zu finden?
    „ Nein“, antwortet sie. „Ich möchte Liliana, wo auch immer sie steckt, keine Probleme machen. Sie hatte schon einmal Schwierigkeiten mit der Polizei. Mehrere Autodiebstähle und Überfälle einer Gang, mit deren Anführer sie liiert war. Das hat sie schon einmal ins Visier der Polizei gebracht, obwohl sie damals nichts mit der Sache zu tun hatte. Außerdem ist es nicht das erste Mal, das sie für längere Zeit verschwunden ist. Im Grunde muss es also nicht unbedingt etwas Schlimmes zu bedeuten haben, dass ich sie jetzt nicht erreiche.“
    „ Gang? Schon mal verschwunden? Das klingt ja nach einer sehr aufreibenden Vergangenheit.“
    „ Liliana hatte es nicht leicht in ihrem Leben. Keine Familie. Keine richtigen Freunde. Durch ihren Job bei Barney ist sie teilweise an die falschen Leute geraten. Vor ungefähr einem Jahr ist sie für einige Wochen in eine andere Stadt gezogen, weil sie geglaubt hatte, es als Model bei einem ominösen Fotografen zu schaffen.“
    „ Als Model? Und sie ist abgehauen, ohne etwas zu sagen?“
    „ Praktisch über Nacht. Sie hat später behauptet, dass sie sich erst sicher sein wollte, dass das mit der Karriere klappt, bevor sie ein Lebenszeichen von sich gibt. Aber wenn Sie mich fragen, war sie einfach nur blauäugig. Dieser Fotograf hat sich dann auch ziemlich schnell als zwielichtiger Möchtegernkünstler entpuppt.“
    „ Und dieser Kenny? Den hat sie doch auch in dieser Kneipe kennen gelernt, oder?“
    Sie nickt. „Ja. Ich glaube sogar, dass er ein Bekannter ihres ehemaligen Freundes ist.“
    „ Also hatte er auch was mit dieser Gang zu tun?“
    „ Ich bin mir nicht sicher. Meinen Sie, dass das wichtig ist?“
    „ Keine Ahnung. Ich werde nur das Gefühl nicht los, dass dieser Kenny nicht die ganze Wahrheit gesagt hat.“
    Sie führt die Tasse zum Mund, langsam, den Blick ins Leere, als würde sie versuchen, sich an etwas zu erinnern. Irgendeine Information, die ihnen weiterhelfen könnte.
    „ Ich glaube, dass ich noch mal zu ihm muss“, sagt er schließlich.
    „ Zu Kenny?“
    „ Ja. Natürlich nicht offiziell. Vielleicht sollte ich ihn eine Weile beobachten.“
    „ Und wie wollen Sie das anstellen?“
    Er zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber irgendetwas müssen wir tun. Vielleicht führt er uns auf eine Spur.“
    „ Ich glaube auch, dass er etwas damit zu tun hat. Vielleicht hat er sie bedroht, als sie Schluss machen wollte. Und da ist sie aus Angst vor ihm abgehauen.“ Wieder der Blick ins Leere. „Andererseits weiß ich nicht, wie sie irgendwo anders zurechtkommen will. So ohne Job. Und ohne Geld.“
    Er unterdrückt das Bedürfnis, ihr die Wahrheit zu sagen. Dass Liliana weder Job noch Geld braucht. Dass sie tot ist. Dass es bereits zu spät ist, um ihr zu helfen. Und dass es im Grunde nur darum geht, ihm selbst Gewissheit zu verschaffen. Ihn aus dem Chaos in seinem Kopf zu befreien.
    „ Sie stehen ihr sehr nah, oder?“, fragt er.
    „ Wie meinen Sie das?“
    „ Na ja. Anscheinend sind Sie die Einzige, die sich ernsthafte Sorgen um sie macht.“
    „ Das kann schon sein.“ Sie nickt. Ein flüchtiges Lächeln mit wehmütigem Beigeschmack. „Vielleicht ist gerade das der Grund, warum ich mich für sie verantwortlich fühle. Ich hätte sie eindringlicher vor diesem Kerl warnen müssen. Wir sind Freundinnen, da hab ich gedacht, ein Ratschlag genügt. Aber im Grunde hätte sie viel mehr als das gebraucht.“ Sie senkt den Blick auf ihre Hände. „Mehr als nur eine Freundin.“
    Er stellt die Tasse auf den Tisch und greift nach ihrer Hand. „Sie haben sicher alles in Ihrer Macht Stehende getan.“
    „ In meiner Macht“, wiederholt sie monoton.
    Im selben Moment entzieht er ihr seine Hand wieder. Er kennt sie nicht und eine Geste wie diese erscheint ihm unangebracht.
    Verwirrt beginnt er, die Informationen zu sortieren. Autodiebstahl. Liaison mit dem Anführer einer

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