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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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sieht mich nicht und rufen konnte ich auch nicht. Ich habe zwar besonders laut geblasen, aber Du hast mich nicht erkannt." „Ihr blast ja alle schlecht", sagte Karl. „Laß mich einmal bla- sen." „Aber gewiß", sagte Fanny und reichte ihm die Trompete, „aber verdirb den Chor nicht, sonst entläßt man mich." Karl fieng zu blasen an, er hatte gedacht, es sei eine grob gearbeitete Trompete, nur zum Lärmma- chen bestimmt, aber nun zeigte sich daß es ein Instru- ment war, das fast jede Feinheit ausführen konnte. Wa- ren alle Instrumente von gleicher Beschaffenheit, so wurde ein großer Mißbrauch mit ihnen getrieben. Karl blies, ohne sich vom Lärm der andern stören zu lassen, mit voller Brust ein Lied das er irgendwo in einer Kneipe einmal gehört hatte. Er war froh, eine alte Freundin ge- troffen zu haben, hier vor allen bevorzugt die Trompete blasen zu dürfen und möglicherweise bald eine gute Stel- lung bekommen zu können. Viele Frauen hörten zu bla- sen auf und hörten zu; als er plötzlich abbrach, war kaum die Hälfe der Trompeten in Tätigkeit, erst all- mählich kam wieder der vollständige Lärm zustande. „Du bist ein Künstler", sagte Fanny als Karl ihr die Trompete wieder reichte. „Laß Dich als Trompeter auf- nehmen." „Werden denn auch Männer aufgenommen?" fragte Karl. „Ja", sagte Fanny, „wir blasen zwei Stun- den. Dann werden wir von Männern, die als Teufel an- gezogen sind, abgelöst. Die Hälfe bläst, die Hälfe trommelt. Es ist sehr schön, wie überhaupt die ganze Ausstattung sehr kostbar ist. Ist nicht auch unser Kleid sehr schön? Und die Flügel?" Sie sah an sich hinab. Glaubst Du", fragte Karl, „daß auch ich noch eine Stelle bekommen werde?" „Ganz bestimmt", sagte Fan- ny, „es ist ja das größte Teater der Welt. Wie gut es sich trif, daß wir wieder beisammen sein werden. Aller- dings kommt es darauf an, was für eine Stelle Du be- kommst. Es wäre nämlich auch möglich, daß wir, auch wenn wir beide hier angestellt sind uns doch gar nicht sehn." „Ist denn das Ganze wirklich so groß?" fragte Karl. „Es ist das größte Teater der Welt", sagte Fanny nochmals, „ich habe es allerdings selbst noch nicht ge- sehn, aber manche meiner Kolleginnen, die schon in Oklahama waren, sagen, es sei fast grenzenlos." „Es melden sich aber wenig Leute", sagte Karl und zeigte hinunter auf die Burschen und die kleine Familie. „Das ist wahr", sagte Fanny. „Bedenke aber, daß wir in allen Städten Leute aufnehmen, daß unsere Werbetruppe im- merfort reist und daß es noch viele solche Truppen gibt." „Ist denn das Teater noch nicht eröffnet?" fragte Karl. „Oja", sagte Fanny, „es ist ein altes Teater, aber es wird immerfort vergrößert." „Ich wundere mich", sagte Karl, „daß sich nicht mehr Leute dazu drängen." „Ja", sagte Fanny, „es ist merkwürdig." „Vielleicht", sagte Karl, „schreckt dieser Aufwand an Engeln und Teufeln mehr ab, als er anzieht." „Wie Du das herausfinden kannst", sagte Fanny. „Es ist aber möglich. Sag es unse- rem Führer, vielleicht kannst Du ihm dadurch nützen." Wo ist er?" fragte Karl. „In der Rennbahn", sagte Fan- ny, „auf der Schiedsrichtertribüne." „Auch das wundert mich", sagte Karl, „warum geschieht denn die Aufnah- me auf der Rennbahn?" „Ja", sagte Fanny, „wir machen überall die größten Vorbereitungen für den größten An- drang. Auf der Rennbahn ist eben viel Platz. Und in allen Ständen, wo sonst die Wetten abgeschlossen wer- den, sind die Aufnahmskanzleien eingerichtet. Es sollen zweihundert verschiedene Kanzleien sein." „Aber", rief Karl, „hat denn das Teater von Oklahama so große Ein- künfe, um derartige Werbetruppen erhalten zu kön- nen?" „Was kümmert uns denn das", sagte Fanny, „aber nun, Karl, geh, damit Du nichts versäumst, ich muß auch wieder blasen. Versuche auf jeden Fall einen Posten bei dieser Truppe zu bekommen und komm gleich zu mir es melden. Denke daran, daß ich in großer Unruhe auf die Nachricht warte." Sie drückte ihm die Hand, ermahnte ihn zur Vorsicht beim Hinabsteigen, setzte wieder die Trompete an die Lippen, blies aber nicht frü- her, ehe sie Karl unten auf dem Boden in Sicherheit sah. Karl legte wieder die Tücher über die Treppe so wie sie früher gewesen waren, Fanny dankte durch Kopfnicken, und Karl gieng, das eben Gehörte nach verschiedenen Richtungen hin überlegend auf den Mann zu, der schon Karl oben bei Fanny gesehen und sich dem Postament genähert

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