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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Kellner vor sich, dessen Laterne einen kleinen Kreis beleuchtete, während alles sonst, auch Delamarche und Robinson, in tiefem Dunkel war.
       Es war natürlich gar nicht mehr die Rede davon, daß die beiden in das Hotel mitgenommen werden könnten. Der Kellner schwang den Koffer auf die Achsel, Karl nahm den Strohkorb und sie giengen. Karl war schon auf der Straße, als er im Nachdenken sich unterbrechend stehen blieb und in das Dunkel hinaufrief: „Hören Sie einmal! Sollte doch einer von Ihnen die Photographie noch haben und mir ins Hotel bringen wollen – er be- kommt den Koffer noch immer und wird – ich schwöre es – nicht angezeigt." Es kam keine eigentliche Antwort herunter, nur ein abgerissenes Wort war zu hören, der Beginn eines Zurufes Robinsons, dem aber offenbar Delamarche sofort den Mund stopfe. Noch eine lange Weile wartete Karl ob man sich oben nicht doch noch anders entscheiden würde. Zweimal rief er in Abstän- den: „Ich bin noch immer da." Aber kein Laut antwor- tete, nur einmal rollte ein Stein den Abhang herab, viel- leicht durch Zufall, vielleicht in einem verfehlten Wurf.

    V Im Hotel occidental

    Im Hotel wurde Karl gleich in eine Art Bureau geführt, in welchem die Oberköchin ein Vormerkbuch in der Hand einer jungen Schreibmaschinistin einen Brief in die Schreibmaschine diktierte. Das äußerst präcise Dik- tieren, der beherrschte und elastische Tastenschlag jag- ten an dem nur hie und da merklichen Ticken der Wand- uhr vorüber, die schon fast halb zwölf Uhr zeigte. „So!" sagte die Oberköchin, klappte das Vormerkbuch zu, die Schreibmaschinistin sprang auf und stülpte den Holz- deckel über die Maschine, ohne bei dieser mechanischen Arbeit die Augen von Karl zu lassen. Sie sah noch wie ein Schulmädchen aus, ihre Schürze war sehr sorgfältig gebügelt, auf den Achseln z. B. gewellt, die Frisur recht hoch und man staunte ein wenig wenn man nach diesen Einzelnheiten ihr ernstes Gesicht sah. Nach Verbeueun- gen zuerst gegen die Oberköchin, dann gegen Karl ent- fernte sie sich und Karl sah unwillkürlich die Oberkö- chin mit einem fragenden Blicke an.
       „Das ist aber schön, daß Sie nun doch gekommen sind", sagte die Oberköchin. „Und Ihre Kameraden?" Ich habe sie nicht mitgenommen", sagte Karl. „Die marschieren wohl sehr früh aus", sagte die Oberköchin, wie um sich die Sache zu erklären. „Muß sie denn nicht denken, daß ich auch mitmarschiere?" fragte sich Karl und sagte deshalb, um jeden Zweifel auszuschließen: „Wir sind in Unfrieden aus einander gegangen." Die Oberköchin schien das als eine angenehme Nachricht aufzufassen. „Dann sind Sie also frei?" fragte sie. „Ja frei bin ich", sagte Karl und nichts schien ihm wertloser. „Hören Sie, möchten Sie nicht hier im Hotel eine Stelle annehmen?" fragte die Oberköchin. „Sehr gern", sagte Karl, „ich habe aber entsetzlich wenig Kenntnisse. Ich kann z. B. nicht einmal auf der Schreibmaschine schrei- ben." „Das ist nicht das wichtigste", sagte die Oberkö- chin. „Sie bekämen eben vorläufig nur eine ganz kleine Anstellung und müßten dann zusehn, durch Fleiß und Aufmerksamkeit sich hinaufzubringen. Jedenfalls aber glaube ich, daß es für Sie besser und passender wäre sich irgendwo festzusetzen statt so durch die Welt zu bum- meln. Dazu scheinen Sie mir nicht gemacht." „Das wür- de alles auch der Onkel unterschreiben", sagte sich Karl und nickte zustimmend. Gleichzeitig erinnerte er sich, daß er, um den man so besorgt war, sich noch gar nicht vorgestellt hatte. „Entschuldigen Sie bitte", sagte er, „daß ich mich noch gar nicht vorgestellt habe, ich heiße Karl Roßmann." „Sie sind ein Deutscher, nicht wahr?" „Ja", sagte Karl, „ich bin noch nicht lange in Amerika." „Von wo sind Sie denn?" „Aus Prag in Böhmen", sagte Karl. „Sehn Sie einmal an", rief die Oberköchin in einem stark englisch betonten Deutsch und hob fast die Arme, dann sind wir ja Landsleute, ich heiße Grete Mitzel- bach und bin aus Wien. Und Prag kenne ich ja ausge- zeichnet, ich war ja ein halbes Jahr in der Goldenen Gans auf dem Wenzelsplatz angestellt. Aber denken Sie nur einmal!" „Wann ist das gewesen?" fragte Karl. „Das ist schon viele viele Jahre her." „Die alte Goldene Gans", sagte Karl, „ist vor zwei Jahren niedergerissen worden." „Ja, freilich", sagte die Oberköchin ganz in Gedanken an vergangene Zeiten.
    Mit einem Male aber wieder lebhaf werdend rief sie und faßte dabei Karls

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