Der verschwundene Weihnachtsengel: Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
genau genommen habe ich doch jemanden gesehen. Also die Alte, die Frau Knukel!«, erklärt Ole etwas verlegen.
Jakob horcht auf. »Ach ja? Was hat sie gemacht?«
»Eigentlich nichts«, erklärt Ole. »Komisch war nur, dass sie ihren Hund nicht dabeihatte. Sie kam wohl vom Einkaufen. Aber das ist wirklich alles. Warum sollte Frau Knukel auch den Engel klauen, nicht wahr?«
Jakobs Misstrauen ist geweckt. »Warum glaubst du, dass sie vom Einkaufen kam?«, hakt er bei Ole noch einmal nach.
»Na, sie hatte so einen Hackenporsche dabei«, erklärt Ole. »So ein Wägelchen, das man hinter sich herzieht, um Einkäufe nach Hause zu bringen …«
Jakob schüttelt energisch den Kopf. »Aber so ein Wägelchen ist nicht nur zum Einkaufen gut«, unterbricht er Ole. »Es ist auch das ideale Hilfsmittel, um zum Beispiel unauffällig einen Weihnachtsengel abzutransportieren!«
Hat Frau Knukel den Weihnachtsengel gestohlen?
L aura schmollt. Und das auch noch zu Recht. Denn Jakob hat gestern schon wieder sein Versprechen gebrochen, ihr beim Basteln zu helfen.
Den ganzen Samstagmorgen spricht sie mit ihrem Bruder kein Wort. Jakob bleibt nichts anderes übrig, als Laura den Grund für sein Fernbleiben, also von seinem Treffen mit Ronnie, Ole und Finn, zu erzählen. Und dass dieses Treffen allein deshalb stattfand, um den Dieb des Weihnachtsengels zu finden.
Lauras zorniger Blick wird während Jakobs Bericht deutlich milder. Allerdings verschweigt Jakob auch Ronnies geplanten Streich. Stattdessen berichtet er ausführlich von Oles Beobachtung.
Doch Laura ist empört. »Aber Frau Knukel ist doch eine alte Dame«, wehrt sie Jakobs Verdacht ab.
»Frau Knukel ist eine böse alte Dame«, behauptet Jakob überzeugt. »Außerdem ist sie die einzige Spur, die wir bisher haben.«
»Und was willst du jetzt machen?«, fragt Laura.
»Also, mich würde schon mal interessieren, was sie so treibt, wenn sie nicht gerade über den Marktplatz schlurft und vor sich hinmeckert«, entgegnet Jakob. »Ich finde, dass wir sie genauer beobachten sollten.«
Laura knabbert nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. Eine alte Dame zu beschatten, findet sie nicht besonders höflich. Andererseits würde sie alles dafür tun, damit der Weihnachtsengel wieder auftaucht. »Na gut. Ich bin sowieso nachher in der Stadt«, sagt sie schließlich. »Es ist Samstag und Mama und ich wollen nach einem Engelkleid gucken. Um 15 Uhr können wir uns am Denkmal auf dem Marktplatz treffen.«
Jakob ist einverstanden.
Kurz vor drei Uhr packt er seine Sachen zusammen: eine Zeitung, zwei Taschenlampen, eine Thermoskanne mit heißer Milch und eine Handvoll Müsliriegel. Dann zieht er sich noch zwei warme Pullover übereinander an, damit er während der Observation nicht friert.
Es ist bereits nach 15 Uhr, als Jakob am Denkmal ankommt, aber Laura ist noch nicht da.
Jakob sieht sich um. Gerne würde er jetzt an den Buden vorbeischlendern, um sich die Zeit zu vertreiben. Denn auf dem Markt gibt es viel zu entdecken. Direkt neben ihm duften die Waffeln eines Bäckers. Rechts verkauft ein junges Paar Holzspielzeug, links bietet ein älterer Herr Mützen aus Flauschewolle an. Jakob möchte Laura aber nicht verpassen und harrt am Denkmal aus.
Gut eine halbe Stunde zu spät stapft Laura endlich heran. »Entschuldige! Aber Mama und ich haben uns die Hacken abgelaufen! Wir waren im Kaufhaus und allen Boutiquen der Stadt. Aber wir haben nichts, aber auch überhaupt nichts für mich gefunden«, schimpft sie.
Jakob winkt ab. Er ist froh, dass Laura nun endlich da ist. »Möchtest du einen Schluck heiße Milch?«, fragt er und zeigt Laura den Inhalt seines Rucksacks.
»Ja, gerne«, freut sich Laura. »Und wofür sind die Taschenlampen und die Zeitung?«
»Wenn es nachher dunkler wird, können wir uns damit Lichtzeichen geben. Die Zeitung ist zur Tarnung«, erklärt Jakob, während er Laura die Milch eingießt und ihr großzügig noch einen Müsliriegel reicht.
»Du hast ja an alles gedacht«, sagt Laura. »Jetzt fehlt uns eigentlich nur noch Frau Knukel.«
»Ich bin mir sicher, dass sie früher oder später hier vorbeikommt«, erklärt Jakob zuversichtlich.
Gemeinsam überlegen die Geschwister, welcher Standort sich am besten für ihre Observation eignet. Sie entscheiden sich für das Portal des Rathauses. Denn von dort haben sie den besten Blick auf alle Ecken des Platzes. Zielstrebig laufen sie die Gänge am Ziegengehege und der Ponybahn vorbei, um ihre neue
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