Der verschwundene Weihnachtsengel: Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
Beobachterposition einzunehmen.
Dann schlägt Jakob die Zeitung auf, um so zu tun, als würde er darin lesen. In Wirklichkeit suchen seine Augen über den Rand der Zeitung die Umgebung ab.
Auf dieser Seite des Platzes herrscht besonderes Gedrängel. Denn die Leute machen in den umliegenden Geschäften Besorgungen für das Wochenende. Laura entdeckt auch Gerd Bröhn, den Inhaber des Dies-und-Das-Shops. Aufgrund seiner Größe überragt er alle anderen Leute um mindestens einen ganzen Kopf. Fröhlich winkt Laura ihm zu. Mit einem erfreuten »Hallo!« schlendert Herr Bröhn zu Jakob und Laura hinüber.
»Ihr seht ja aus wie Detektive. Beschattet ihr jemanden?«, lacht er und zeigt auf Jakobs Zeitung.
Jakob fühlt sich ertappt. Rasch faltet er die Zeitung zusammen. »Nein, überhaupt nicht. Sehen wir so aus?«
»Ein bisschen«, sagt Herr Bröhn. »Aber bevor ihr mich beschattet, gestehe ich lieber gleich, was ich vorhabe.«
»Bestimmt spazieren gehen«, rät Laura und zeigt auf Herrn Bröhns Spazierstock.
»Kompliment, richtig geraten. Ich spaziere hinauf zur Burg. Ich wohne ja noch nicht so lange hier, aber allein für diese herrliche Ruine lohnt sich der Umzug nach Rhodenberg. Obwohl ich manchmal auch ganz melancholisch werde. Wie schön die Burg wohl früher ausgesehen hat?« Gerd Bröhns Blick schweift wehmütig den Berg hinauf. Doch dann fährt er schon wieder fröhlich fort: »Aber der Spazierstock ist ein besonderes Exemplar. Er ist natürlich antik und nicht nur zum Spazieren gut«, erklärt er. Mit einem verschmitzten Lächeln schraubt er am Knauf des Stockes. Er lässt sich vollständig lösen. Im Innern des Stocks ist ein Hohlraum, der mit Lakritzschnecken gefüllt ist. Höflich bietet er Laura und Jakob davon an. Jakob ist ziemlich beeindruckt und würde sich den Spazierstock gerne genauer ansehen. Doch da zupft Laura heftig an Jakobs Jacke.
Eben ist Frau Knukel auf der rechten Seite des Marktplatzes erschienen. Obwohl es recht kalt ist, fühlt Jakob, wie er in seinen zwei Pullovern vor Aufregung anfängt zu schwitzen. Hastig verabschiedet er sich von Herrn Bröhn und zieht Laura mit sich. Hinter einer Litfasssäule, von der aus sie Frau Knukel gut im Blick haben, bleiben sie stehen. Gespannt verfolgt Jakob, wie Frau Knukel mit ihrer alten Pudeldame die Straße überquert und in die Schäfchengasse biegt. Nach wenigen Metern bleibt sie vor einer Haustür stehen. Umständlich nestelt sie in ihrer Handtasche, zieht einen Schlüssel hervor und schließt die Tür auf. Jakob und Laura huschen ihr in die kleine Gasse hinterher. Sie sehen, wie im Treppenhaus das Licht angeht. Nach einer Weile leuchtet auch Licht im ersten Stock auf. Mit offenen Mündern starren die Geschwister hinauf zu dem erleuchteten Fenster.
»Und jetzt?«, fragt Laura nach einer Weile.
Jakob reibt sich verlegen die Nase. »Immerhin wissen wir nun, wo Frau Knukel wohnt«, fasst er das Ergebnis ihrer Detektivarbeit zusammen.
Wie können Laura und Jakob mehr über Frau Knukel herausfinden?
D as Sonntagsfrühstück fällt heute sehr kurz aus. Denn unmittelbar vor Weihnachten gibt es in Mamas und Papas Tortenbäckerei besonders viel zu tun. Weil Mama auch noch Jakobs Lebkuchenplatten backen will, brechen Jakobs und Lauras Eltern direkt nach dem Frühstück ins Geschäft auf. Jakob und Laura räumen allein den Tisch ab.
Jakob hat schlecht geschlafen. Denn er hat die halbe Nacht intensiv nachgedacht.
»Wie geht es denn jetzt weiter?«, fragt Laura, während sie die Geschirrspülmaschine einräumt.
»Ich hab da eine Idee«, sagt Jakob. »Erschrick bitte nicht. Aber am besten wäre es, wenn wir uns in Frau Knukels Wohnung umschauen könnten. Ganz bestimmt hat sie dort den Weihnachtsengel versteckt.«
Laura schüttelt entsetzt den Kopf. »Vergiss es! Ich will nicht in ihre Wohnung. Dann soll sie den Engel lieber behalten!«
Aber Jakob hat schon einen Entschluss gefasst. »Wenn wir mehr herausfinden wollen, müssen wir näher an Frau Knukel heran«, beharrt er.
Laura zieht eine weinerliche Grimasse. »Jakob, hör auf! Ich will gar nicht näher an Frau Knukel heran! Ich bastel jetzt meine Weihnachtsengel und damit gut!«
»Dann mache ich es eben alleine.« Jakob klingt fest entschlossen.
Missmutig schaut Laura ihrem Bruder zu, wie er in seine Schuhe und Jacke schlüpft. Doch als er die Wohnungstür hinter sich geschlossen hat, hält Laura es nicht mehr aus. Sie zieht sich an und folgt ihm. Auf keinen Fall will sie ihren Bruder jetzt
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