Der verschwundene Weihnachtsengel: Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
hochkeucht. »Wenn der Gegner oben ankam, war er nämlich schon völlig k. o.«
Jakob muss bei dieser Vorstellung ein bisschen lachen. Er selbst findet den Anstieg nicht anstrengend. Aber mit schwerem Gepäck, Schwert und Lanze möchte er den Berg auch nicht erklimmen.
»Stellt es euch bitte nicht zu romantisch vor, auf einer Burg zu wohnen«, erklärt Frau Krause, als sie endlich oben angekommen sind. »Es gab nämlich keine Fensterscheiben. Überall pfiff der Wind durch die Räume. Meistens gab es nur einen zentralen Raum, der überhaupt beheizt wurde. Die Leute schliefen zu fünft in ihren Betten, damit sie nicht zu sehr froren.«
Frau Krause ist anzumerken, dass dies für sie eine absolute Horrorvorstellung bedeutet. Nachdem sie noch erzählt hat, dass auch die Toiletten, die einfach nur zugige Plumpsklos waren, kaum ihren Vorstellungen von Komfort entsprechen, sollen sich die Schüler auf der Burg genauer umsehen. Jakob schlendert mit seinen Klassenkameraden zunächst einmal um die verfallenen Außenmauern herum. Dann betritt er den Burghof. Der Platz ist gleichmäßig mit Rasen bewachsen. Vom ehemaligen Westflügel des Bergfrieds ragen nur noch kärgliche Mauerreste in den Himmel. Zwischen den verwitterten Steinen wächst Moos. Überrascht entdeckt Jakob wenige Schritte weiter ein weißrotes Absperrband. Auf einem Schild steht: »Gefahrenstelle!«
»Kinder, geht nicht zu nahe da ran«, bittet Frau Krause. »Hinter dem Band ist das Erdreich abgesunken und ein Loch entstanden. Gleich darunter liegt das Kellergewölbe der Burg! Nicht dass ihr abstürzt!«
Jakobs Klassenkameraden setzen ihren Rundgang über das Burggelände fort. Jakob bleibt allein zurück. Während er sich gerade weit über die Absperrung beugt, um genauer sehen zu können, spürt er, wie plötzlich jemand zögernd neben ihn tritt. Es ist Ronnie.
»Ich möchte mich übrigens noch bei dir bedanken, dass du gestern zu mir gekommen bist und nicht gleich zur Polizei gegangen bist«, sagt er.
Jakob schaut überrascht auf. »Keine Ursache. Ich dachte wirklich, du wärst der Dieb«, gesteht er.
»Nein, das würde ich nie machen! Streiche: ja. Aber klauen: nein!«, erklärt Ronnie.
»Aber warum bist du gestern nicht zur Schule gekommen?«, will Jakob wissen.
»Ich dachte eigentlich, du hättest schon überall herumerzählt, dass nur ich den Engel geklaut haben könnte. Da war ja auch noch der Zettel von mir quasi als Beweis! Ich hatte einfach Angst, verhaftet oder verkloppt zu werden. Mir hätte doch niemand geglaubt!«, sagt Ronnie zerknirscht.
»Bei deinem Vorstrafenregister bestimmt nicht«, bestätigt Jakob.
Ronnie nickt. Gemeinsam betrachten sie die Schneeflocken, die nun in größerer Zahl gemächlich auf die Erde trudeln.
Nach einer Weile fragt Jakob: »Weiß denn noch irgendjemand, dass du vorgestern zur Tatzeit in der Kirche warst?«
»Ja, Finn und Ole, meine Cousins. Sie haben Schmiere gestanden, als ich durch den Hintereingang in die Kirche geschlichen bin«, gesteht Ronnie.
»Was ist, wenn die dich bei der Polizei melden?«, fragt Jakob.
Ronnie winkt ab. »Die beiden wissen, dass ich den Weihnachtsengel nicht unter der Jacke herausgetragen haben kann. Wir sind ja danach auch gleich zu mir nach Hause gegangen.«
Jakob wird nachdenklich: »Haben sie denn etwas Auffälliges bemerkt, als sie Schmiere gestanden haben? Vielleicht gar den wirklichen Dieb!«, überlegt er .
Haben Ole und Finn den Dieb gesehen?
L aura macht keinen besonders gut gelaunten Eindruck, als sie sich zu Jakob an den Frühstückstisch setzt. »Du wolltest mir doch vorgestern mit den Weihnachtsengeln helfen«, beschwert sie sich bei ihrem Bruder. »Mach ich doch noch!«, versichert ihr Jakob.
Aber Laura lässt sich nicht beschwichtigen. Genervt legt sie zwei Weihnachtsengel aus Goldpapier auf den Tisch. »Die beiden habe ich jetzt fertig«, sagt sie. »Das ist so viel Arbeit! Wenn ich in diesem Tempo weiterkomme, bin ich im nächsten Jahr noch nicht fertig!«
»Ich habe dir doch versprochen zu helfen, also mache ich es auch«, sagt Jakob und beißt müde in seinen Marmeladentoast.
»Setzt euch doch heute Nachmittag zusammen«, versucht Mama, zwischen Jakob und Laura zu vermitteln.
»Würde ich ja«, sagt Jakob ehrlich verstimmt. »Aber jetzt soll ich für Frau Krause auch noch die Rhodenbergburg nachbauen. Ich habe noch gar keine Ahnung, wie ich das machen soll.«
»Du sollst sie nachbauen? Aus Stein?«, fragt Laura überrascht.
»Nein, natürlich
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