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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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klang weinerlich. »Woher sollte ich es denn wissen? Ich habe doch schon geschlafen. Ein Diebstahl oder ein Einbruch?«
    »Jedenfalls nichts Besonderes«, wiederholte Bray . »Wir haben nur eine Meldung bekommen, der wir nachgehen müssen.«
    »Was wollen Sie denn sehen?« fragte Walsh. »Das ganze Theater?«
    »Nein«, sagte ich, »vorerst mal die Garderobe Nummer elf.«
    Walsh machte Licht. Wir gingen den langen Gang hinunter; unsere Schritte hallten in dem leeren Bau.
    »Wann wird hier sauber gemacht?« fragte ich. »Abends oder morgens?«
    »Morgens«, sagte der Inspizient.
    In der Garderobe elf schien alles unverändert zu sein. Auf dem linken Waschbecken standen noch die drei kleinen braunen Fläschchen.
    »Hier«, sagte ich zu Bray . »Das sind sie.«
    Bray bückte sich und nahm aus dem Papierkorb einen Briefumschlag heraus. Damit faßte er das erste Fläschchen an. Er drehte den Korken heraus, schnüffelte und hielt mir das Fläschchen unter die Nase. Wenn das, was ich roch, kein Whisky war, dann habe ich noch nie in meinem Leben Whisky gerochen.
    Bray stellte das Fläschchen schweigend beiseite und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Dann nahm er das nächste. Er roch daran, und ich sah, wie er stutzte. Er schnupperte lange daran und sagte, indem er es mir vorsichtig reichte:
    »Hier, bitte —aber passen Sie auf, daß Sie es nicht berühren!«
    Ich hielt meine Nase vorsichtig daran, konnte aber beim besten Willen keinen Whisky riechen. Es roch nach gar nichts.
    Bray nahm mir das Fläschchen behutsam aus der Hand und stellte es beiseite. Er nahm das dritte. Dieses roch genauso nach Whisky wie das erste.
    Bray starrte auf die drei Flaschen.
    »Können Sie sich das erklären, Tonio?«
    »Nein, Mister Bray . Der Mörder hätte das Fläschchen, wenn tatsächlich Gift drin gewesen wäre, verschwinden lassen können. Warum hat er das nicht getan?«
    Bray lachte auf einmal schallend auf.
    »Klar«, sagte er. »Wenn wirklich Gift drin gewesen wäre. Es war aber keins drin. Einer von den Burschen hat sich den Whisky hinter die Binde gekippt und dann Wasser hineingetan.«
    » Murchison ist aber nicht an Wasser gestorben«, sagte ich.
    Der Inspizient, den wir beinahe vergessen hatten, räusperte sich. Er blinzelte aufgeregt, während er fragte: »Sagten Sie eben, Mister Murchison sei... «
    » Murchison hatte einen Autounfall«, sagte Bray rasch. »Er ist tödlich verunglückt. Wir versuchen festzustellen, wieviel Alkohol er im Leibe hatte.«
    Walsh rang die Hände.
    »Mister Murchison ... das ist doch... «
    Bray hob die eine Flasche mit dem Papier gegen das Licht und kippte sie langsam.
    »Ein Tropfen ist noch drin«, sagte er. Er roch noch einmal daran, dann ließ er etwa einen Fingerbreit Wasser in das Fläschchen laufen.
    Er drückte mir das Fläschchen in die Hand, setzte sich in den Lehnstuhl, legte den Kopf nach hinten und sagte:
    »Kippen Sie mir einen Tropfen ins Auge.«
    Ich beugte mich über ihn und träufelte ihm einen einzigen Tropfen ins Auge. Wenige Minuten später begann seine Pupille sich zu erweitern.
    »Also doch Atropin«, sagte Bray . »Und noch dazu eine ganz gehörige Ladung, was? Hätte ich nicht geglaubt.«
    »Verzeihung«, sagte Walsh schüchtern.. »Vielleicht war es doch kein Autounfall? Sie sprechen doch von Gift. Ich möchte... ich möchte dazu etwas sagen.«
    »Was denn?« knurrte Bray .
    »Mister Murchison hatte Angst, ermordet zu werden.«
    »Ach nein!« rief Bray überrascht. »Was Sie nicht sagen! Warum glaubte er das denn? Hat ihm jemand damit gedroht?«
    »Das glaube ich nicht. Es war mehr ein Scherz. Das ganze Theater lachte über seine Angst. Er meinte nämlich, jemand könnte ihm eines Tages vergifteten Whisky zu trinken geben — auf der Bühne, meine ich.«
    »Wer kam denn auf diesen grandiosen Einfall?« fragte ich.
    Er schaute mich ein wenig hilflos an.
    »Das weiß ich nicht. Ich glaube, es war einer der jungen Schauspieler.«
    »Sie wissen nicht, welcher?«
    »Nein. Ich hielt das einfach für einen dummen Jux. Ist nun Mister Murchison wirklich — vergiftet worden?«
    »Wissen wir noch nicht«, sagte Bray . »Jedenfalls ist er tot. Und Sie halten auf alle Fälle Ihren Mund, verstanden? Es werden morgen Reporter kommen und herumschnüffeln und allerlei wissen wollen. Erwähnen Sie kein Wort von Gift oder so, sagen Sie nur, es sei ein Autounfall gewesen.«
    »Ja, ja, natürlich«, stotterte Walsh. Er war sichtlich erschüttert.
    Bray riß von einem Notizblock drei Zettel

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