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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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an. Sein linkes Auge schloß sich und öffnete sich langsam wieder.
    »Gut«, sagte er gleichgültig zu dem Polizisten. »Schaffen Sie ihn hinaus in meinen Wagen. Ich unterschreibe währenddessen den Übernahmeschein.«
    Ein Polizist führte mich hinaus zu Brays Wagen, in dem ein weiterer Polizist saß. Ich schob mich auf den Rücksitz, und wenige Augenblicke später kam Bray , der sich vorne neben den Polizisten ans Steuer setzte. Wir fuhren los.
    An der nächsten Ecke hielt Bray an und nahm mir die Fessel ab. Dann gab er mir die Sachen, die man mir abgenommen hatte, zurück.
    »So«, sagte er. »Sie haben keinen geringen Stunk gemacht, Tonio. Was ist nun eigentlich los?«
    »Fahren Sie zum Theater«, sagte ich. »Wir müssen versuchen, auf irgendeine Art hineinzukommen.«
    »Gut. Aber nun erzählen Sie mir erst mal der Reihe nach, was eigentlich passiert ist.«
    »Ich war in der Vorstellung«, sagte ich, »und habe aufgepaßt wie ein Luchs. Irgend jemand hat ihm Atropin gegeben. Es muß...»
    »Woher wissen Sie, daß es Atropin war?«
    »Ich wußte es nicht gleich«, sagte ich. »Aber nach dem Unfall war es mir klar. Murchison hatte nach der Vorstellung einen außergewöhnlichen Durst. Da er immer viel trinkt, war mir das natürlich nicht aufgefallen. Aber jetzt reimt es sich mit allem anderen zusammen. Atropin ruft diese typische Zusammengeschnürtheit in Mund, Hals und Rachen hervor, und es erzeugt ein abnormes Durstgefühl. Als wir vom Theater wegfuhren, fielen mir Murchisons Augen auf. Das heißt, sie fielen mir leider zu wenig auf — zu unbewußt . Er hatte übergroße, stark erweiterte Pupillen. Es ist mein Fehler, daß ich nicht gleich darauf kam, das mit einer bereits einsetzenden Wirkung des Atropins in Verbindung zu bringen. Ich nehme an, daß Murchison vielleicht sogar schon nicht mehr ganz klar gesehen hat, aber das wollte er wohl nicht zugeben, um nicht für betrunken gehalten zu werden. Wahrscheinlich wurde ihm dann unterwegs richtig schlecht oder schwindelig. Er wollte halten und es mir sagen. Die Giftwirkung war aber schon so stark, daß er die Kontrolle über sich verlor und mich mit seinem Wagen anfuhr.«
    Bray griff nach dem Telefonhörer, und als er die Verbindung mit seinem Büro hatte, veranlaßte er die sofortige Beschlagnahme des Wagens und gab Anweisung, Murchisons Leiche sofort zur gerichtsmedizinischen Untersuchung zu schaffen. Dann wandte er sich wieder an mich:
    »Sie haben also sozusagen zugesehen, wie er ermordet wurde?«
    »Ja. Es geschah unter meinen Augen, unter den Augen aller Mitspieler und unter den Augen aller Besucher des Theaters.«
    Bray nickte, und ich sah im Rückspiegel, daß sein Mund verkniffen war.
    »Jawohl«, sagte er. »Es geschah sogar unter den Augen der Kriminalpolizei. Ich hatte einen meiner Beamten hingeschickt. Er stand, als Feuerwehrmann verkleidet, in den Kulissen. Ich bekam seinen Bericht nach der Vorstellung. Er sagte mir, daß nichts geschehen sei.«
    Ich beugte mich vor und stützte meine Arme auf die Lehne der Vordersitze.
    »Sie hatten einen Mann hingeschickt? Warum sagten Sie mir nichts davon? Hielten Sie es denn für so ernst?«
    »Ja. Murchison schien wirklich Angst zu haben, aber er wollte nicht mit der Sprache herausrücken. Das war der Grund, weshalb ich ihm einen Privatdetektiv empfahl. Ich sagte Ihnen nichts, weil ich wollte, daß Sie völlig unbeeinflußt sind. Ich dachte, es wäre noch Zeit genug, Klarheit zu bekommen.«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, um das zu verdauen.
    »Ich war dabei«, sagte ich endlich. »Ich war dabei, als man ihn vergiftete! Es wird eine Denksportaufgabe werden, den Mörder zu finden.«
    Wir schwiegen eine Weile. Um diese Zeit gleicht Los Angeles, diese lebendigste aller Städte der Welt, jeder anderen schlafenden Stadt. Viele der Lichtreklamen sind erloschen, die Straßen fast menschenleer, und die meisten Fenster sind dunkel.
    Brays schwarzer Lincoln jagte mit uns in Richtung Pasadena. Der scharfe Fahrtwind rauschte und pfiff in den Fensterschützen. Ein rotes Blinklicht am Armaturenbrett zeigte an, daß Bray mit dem Rotlicht der Polizei fuhr. Ich unterbrach das Schweigen:
    » Murchison wollte sich noch mit mir unterhalten. Ich hatte den Eindruck, daß ihn etwas sehr bedrückte. Wahrscheinlich hätte er mir sein Herz ausgeschüttet. Haben Sie sonst noch was auf Lager, das ich nicht weiß?«
    »Nein«, sagte Bray . »Nichts sonst.«
    »Vielleicht«, fing ich nach einer Weile wieder an, »hätten wir uns diese

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