Der versoffene Papagei
offenem Munde daneben. Unwillkürlich blickten sie auf ihre Uhren.
»Verdammter Narr!« brüllte der Kleine plötzlich los. »Sie gottverdammter Narr! Glauben Sie wirklich, daß wir wegen einem besoffenen Kerl dieses Theater mitmachen? Murchison lag da drunten mit gebrochenem Genick, das hat der Arzt an Ort und Stelle einwandfrei festgestellt. Was schwafeln Sie denn da immer von Mord und Gift? Ich bin doch kein Anfänger, der nicht weiß, wie ein Autounfall aussieht. Ich nehme Ihre Aussage nicht zur Kenntnis, verstehen Sie?«
»Das bleibt Ihnen überlassen, Leutnant«, sagte ich ganz ruhig. »Sie kennen Ihre Dienstvorschriften, und ich kenne sie auch. Wenn ich wirklich betrunken bin, dann nicht so, daß ich keinen Mord mehr gestehen könnte. Es ist jetzt dreiundzwanzig Uhr neunzehn, Leutnant. Ich werde Anzeige gegen Sie erstatten, wenn Sie Ihre Vorschriften nicht einhalten.«
Ich konnte eine so freche Lippe riskieren, weil genug Zeugen herumstanden. Die Polizisten würden sich hüten, mich zusammenzuschlagen, so gern sie es in diesem Augenblick auch getan hätten.
Der kleine Leutnant ging schweigend zu seinem Wagen, setzte sich hinein und kurbelte die Scheiben hoch. Ich sah, wie er telefonierte.
Es dauerte ziemlich lange, bis er wieder herauskam. Er sagte zu seinem Kollegen Chap :
»Nimm ihn mit zur Blutprobe, mach ein Protokoll und dann liefere ihn beim FBI ab.«
»Den Teufel werd ’ ich tun«, sagte der lange Leutnant. »Das geht mich nichts an. Ich nehme ihn mit und mache die Blutprobe, und dann könnt ihr ihn bei uns abholen. Wir sind doch schließlich kein Transportunternehmen. In einer Stunde könnt ihr ihn wiederhaben.«
Ich kletterte nun ziemlich zufrieden in den Unfallwagen.
Während der Fahrt zur Polizeistation in Beverly Hills wurden meine Angaben über den Unfall protokolliert. Von dem Mord wurde nicht gesprochen.
Auf der Station nahmen sie mir dann zweimal Blut ab. Eine halbe Stunde später kam der Sheriff. Er war ein unscheinbarer Mann mit hellen, wachsamen Augen. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben mich.
»Ein bißchen viel Wirbel, meinen Sie nicht? Haben Sie ihn wirklich umgebracht?«
»Ja«, sagte ich. Hätte ich nein gesagt, wäre es wieder nur ein Verkehrsunfall gewesen.
»Und warum?« fragte er.
»Das sage ich erst, wenn ich vor dem Untersuchungsrichter stehe.«
»Hm, ja«, brummte er. »Es geht mich schließlich auch nichts an. Aber Sie sind doch Detektiv?«
»Ja.«
»Hatten Sie Ihre Finger in irgendeiner Sache mit Murchison ?«
»Ja.«
»Dacht’ ich mir. Natürlich haben Sie ihn nicht umgebracht.«
»Doch.«
Er wollte offenbar noch etwas sagen, aber da kam der lange Leutnant wieder herein. Er hatte einen Zettel in der Hand und sagte:
»Weniger als ein Promille. Da haben Sie Glück gehabt, Veramonte .«
Ich wußte nun, daß ich wenigstens in dieser Hinsicht außer Gefahr war.
Der Leutnant zog einen stählernen Achter aus der Hosentasche.
»Ihre Pfötchen!« sagte er.
Ich hielt ihm meine Hände hin, und er schloß die Fessel um meine Gelenke.
»Es ist Vorschrift«, sagte er. »Mörder dürfen nur gefesselt transportiert werden.«
»Ich weiß«, nickte ich. Alles, was dieser Bursche tat, geschah gleichgültig und ohne das geringste Interesse an mir. Er fragte mich auch nichts mehr, sondern sagte nur noch im Hinausgehen: »Sie werden hier abgeholt.«
Der Sheriff hatte schweigend zugeschaut. Nun sagte er halblaut:
» Murchison war ein Schwein. Wußten Sie das?«
»Nicht so genau, aber ich dachte es mir. Was wissen Sie von ihm?«
»Einiges. Nichts sehr Erbauliches. Da war ein junges Mädchen, das... «
Der diensthabende Sergeant schaute herein und brachte mir meine Zigaretten. Ich zündete mir eine an und genoß sie mit tiefen Zügen.
»Was war mit diesem Mädchen?« fragte ich, als der Sergeant wieder verschwunden war.
Der Sheriff stand auf.
»Vielleicht sollte ich vorerst nicht mit Ihnen darüber reden, Mister Veramonte . Aber wenn Sie ihn nicht umgebracht haben, und wenn man Sie laufen läßt, dann können Sie ja mal wieder vorbeikommen. Womöglich arbeiten wir an der gleichen Sache.«
Er nickte mir zu und ging hinaus. Ich saß und wartete.
Mehr als eine Stunde später hörte ich drüben im Wachlokal eine sonore Stimme, die ich gut kannte. Alan Delano Bray war da!
Die Tür, die nur angelehnt gewesen war, wurde aufgestoßen. Ein Polizist deutete auf mich und sagte:
»Das ist er, Mister Bray .«
Bray schob sich durch die Tür und schaute mich
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