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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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»Vielleicht können wir von was anderem reden, nicht gerade von einem Vergifteten?«
    »Natürlich, Liebling. Jimmy Hankock , zum Beispiel, wurde erschossen. Er bekam zwei Kugeln ins Genick und...«
    Wir lachten beide.
    »Verna, Liebling«, sagte ich. »Eigentlich brauchten wir gar nichts zu reden. Es würde mir genügen, daß ich dich anschauen kann.«
    Sie blieb unbefangen wie eine Madonna in der Kirche, obwohl ich sie lange mit hungrigen Augen anstarrte. Sie war einen Kopf kleiner als ich, und ich liebte alles an ihr.
    Ich gehöre nicht zu jener Sorte von Helden, die sich kopfüber ins Wasser stürzen. Ich gehe vielmehr schön langsam hinein, mache mich naß , klappere ein bißchen mit den Zähnen, und dann zähle ich bis drei. Dann zähle ich noch mal bis drei, und etwa zwischen dreihundertsiebzig und dreihundertneunzig bin ich dann endlich drin. Ich hatte mir schon oft vorgenommen, mit Verna aufs Standesamt zu gehen, zumal ihr Vater, mein großer Freund und Helfer, Alan D. Bray vom FBI, nie etwas dagegen hatte. Aber die Sache hatte noch einen Haken. Nicht etwa, daß ich mir noch grundsätzlich überlegen mußte, ob ich überhaupt heiraten sollte oder nicht, nein, vielmehr lag mein Zögern daran, daß mir Tante Elena seit meiner frühesten Jugend eingeredet hatte, ein Mann müsse seine Frau ernähren können.
    Da zur Ernährung einer Frau nicht nur die üblichen Futtermittel gehören, sondern auch noch eine Unmenge anderer Dinge, war ich noch nie so weit gekommen, mir die Ernährung einer Frau zuzutrauen. Tante Elena bestärkte mich nach besten Kräften in dieser Ansicht.
    »Was hast du gesagt?« hörte ich Verna in meine Gedanken hinein fragen.
    »Bitte? Ach so, ja — ich überlegte, ob wir nicht übermorgen zum Standesamt gehen und heiraten sollten?«
    Sie verschluckte sich an ihrem Kaffee, drehte mir den Rücken zu, und ich klopfte kräftig drauf. Sie hatte ihr maisgelbes Kleid mit den kleinen dunkelbraunen Tupfen an und sah verführerisch aus.
    Als sie wieder sprechen konnte, sagte sie:
    »Es kostet ungefähr sechzehn Dollar, Tonio; mit Harmoniummusik neunzehn fünfzig. Hast du denn soviel Geld?«
    »Mit Orgel und Sologeige kostet es zweiundzwanzig siebzig, Verna. Ich habe dreißig Dollar. Wir können also übermorgen heiraten.«
    »Ausgezeichnet.« Eine Weile schwieg sie. Ihre Stirn war nachdenklich gerunzelt. Dann erklärte sie strahlend:
    »Und ich kann, wenn ich alles zusammenkratze, Pa und Tante Elena zu heißen Würstchen einladen. Wir werden eine glänzende Hochzeit haben. Abgemacht?«
    »Abgemacht!« sagte ich. »Aber du hast ja Tränen in den Augen, Liebling?«
    »Weil ich mich doch verschluckt hab’«, sagte sie, »vom Husten!«
    Ich war ein wenig enttäuscht, weil ich angenommen hatte, daß Frauen bei solchen Gelegenheiten fürchterlich weinen.
    Außerdem machte ich die aufschlußreiche Beobachtung, daß der Entschluß zu heiraten, auf Männer und Frauen offensichtlich grundverschieden wirkt: während ich nämlich noch immer an meinem ersten Stück Kuchen herumwürgte und das Gefühl hatte, er bestünde aus einer Mischung von Sand und Sägemehl, Verdrückte Verna soeben ohne erkennbare Anstrengung das dritte Stück. Mit Schlagsahne! Ich hatte den Eindruck, als trainiere sie schon für die Zeit, wo ihre Ernährung gänzlich meiner Sorge überlassen bleiben sollte.
    »Um elf Uhr, am Freitag!« sagte ich. Meine Stimme klang hohl und fremd. »Freitag um elf Uhr, nicht vergessen! Und dann fahren wir an den Pfeilspitzensee hinauf zum Wochenende. Da ist ein entzückendes kleines Hotel.«
    »Mit wem warst du denn schon dort?« wollte sie wissen.
    »Mit einem Freund«, sagte ich. »Er war zweiundvierzig, Eisenbahnangestellter und hatte einen großen Bart.«
    »Und wie hieß sie?« fragte Verna harmlos.
    »Lassen wir die Vergangenheit ruhen«, schlug ich feierlich vor. »Unterhalten wir uns lieber über die Zukunft, über die allernächste Zukunft. Mir ist da nämlich gerade eine Idee gekommen: ich muß jetzt unbedingt nach Hause und einen Film entwickeln. Hast du Lust, mitzukommen?«
    Ich wollte schon »Schade« sagen, weil ich mit ihrem Nein gerechnet hatte, aber sie überraschte mich.
    »Natürlich«, nickte sie begeistert. »Das ist eine blendende Idee! Da können wir noch ein bißchen zusammenbleiben. Pa hat nämlich angerufen, daß er erst um acht Uhr heimkommt, und so hab’ ich noch viel Zeit.«
    Ich zahlte, ließ meinen halben Kuchen im Stich, und wir fuhren nach Eagle Rock, zu mir nach

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