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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Hause.
    Wir waren noch nicht ganz im Haus, als Tante Elena aus ihrem Zimmer geschnauft kam und mir strahlend verkündete, sie habe sich heute mittag mit Makkaroni begnügt und würde nun die Ravioli heute abend machen. Erst dann begrüßte sie Verna, wobei sie es ängstlich vermied, ihr die Hand zu geben. Dafür machte sie die Bemerkung, zu ihrer Zeit habe man von Büroangestellten wesentlich mehr verlangt; freie Tage hätte es damals nicht gegeben.
    Ich ging mit Verna zuerst in mein Büro, um zu sehen, ob die Post was gebracht hatte. Tante Elena folgte uns und schien gesonnen, Verna und mich keinen Augenblick allein zu lassen.
    »Übrigens, Tante Elena«, fing ich an, »was ich dir noch sagen wollte... vielleicht ist es besser, wenn du dich hinsetzt.«
    »Ich soll mich setzen? Warum denn?«
    Ich schob ihr meinen Sessel mit einem kurzen Ruck in die Kniekehlen und sagte:
    »Verna und ich heiraten am Freitag.«
    »Madonna!« rief sie, »welch ein Unglück!«
    Aus dem Nebenzimmer kam es laut und gut verständlich durch die angelehnte Tür:
    »Alles fürs Finanzamt!«
    Verna warf mir einen Blick zu. Ich nickte unmerklich. Sie sagte:
    »Ich geh’ mal rüber, um Miss Simpson guten Tag zu sagen.«
    Sie verschwand. Ich sagte zu Tante Elena:
    »Nun sei doch um Gottes willen ein bißchen nett zu ihr. Du bist doch sozusagen meine Mutter, und Verna hat ja auch keine mehr, und ich habe in vielen Büchern gelesen, daß Mütter in solchen Situationen ihre künftigen Töchter weinend in die Arme schließen und >mein Töchterchen< sagen. Könntest du nicht irgend etwas Ähnliches unternehmen?«
    »Sie tut mir leid«, sagte Tante Elena. »Sie ist ein so nettes Mädchen. Sie tut mir schrecklich leid. Außerdem kommt man nicht von der Straße herein und sagt: >Am Freitag heiraten wir!< Man muß so was doch vorbereiten, und dann verlobt man sich erst mal. Und dann schickt man gedruckte Karten herum, auf denen das steht, und dann bekommt man Blumen und Geschenke, und dann, wenn man genug bekommen hat, dann teilt man den Leuten mit, daß man am Soundsovielten heiratet. Man muß ihnen doch Zeit lassen, wieder Geschenke und Blumen zu kaufen. Und außerdem bin ich der Ansicht, daß du zum Heiraten viel zu jung bist, und wie willst du denn überhaupt eine Frau ernähren?«
    »Das mit der Ernährung ist ein Problem«, sagte ich. »Zugegeben. Aber Verna hält viel auf schlanke Linie, und das ist dann...«
    »Noch viel teurer, mein Junge!« schnaufte sie. »Wenn eine Frau ordentlich ißt , was sie mag und soviel sie will, so ist das viel billiger, als wenn sie Schlankheitsmittelchen und Massagen braucht und dann krank wird.«
    »Na schön, das können wir ja noch ausrechnen. Aber schließlich bin ich vierunddreißig! Das bedeutet, daß ich mindestens schon fünfunddreißig Jahre älter sein werde als mein Sohn!«
    Was kein Fünfzigtonnenkran vermochte hätte, nämlich Tante Elena umzuschmeißen, das brachte nun der Gedanke an ein Enkelkind fertig.
    »Mamma mia !« schrie sie. »Ein Bambino! Ein süßer kleiner Bambino!«
    Sie hatte plötzlich ein kleines Bettlaken in der Hand, schneuzte sich geräuschvoll, putzte sich die Nase und schluchzte vor sich hin.
    »Aber.. .«, stammelte sie, »aber, Tonio — eins mußt du mir versprechen: gib ihm keinen so verrückten amerikanischen Namen! Nenn ihn nicht Washington oder Bismarck, sondern laß ihn Pietro taufen. Dein Vater hieß auch Pietro!«
    »Gut«, versprach ich erfreut, denn damit war alles relativ billig und glatt gegangen, »gut, Tante Elena, er soll Pietro heißen. Pietro Alan Delano Veramonte . Übrigens ist Bismarck kein amerikanischer Name. Er war ein Deutscher und hat sich um Fischkonserven sehr verdient gemacht. Und jetzt geh mal zu ihr hinüber und sei nett zu ihr. Ich muß den Brief da lesen.«
    Sie wischte sich nochmals über ihr Gesicht, wuchtete sich aus dem Sessel hoch und verschwand ins Nebenzimmer. Sie ließ die Türe offen, so daß ich Miss Simpsons Kommentar zu dieser Szene nicht überhören konnte. Sie sang mit lauter, rauher Seemannsstimme:
    »Ahoi! In jedem Hafen eine Puppe!«
    In dem Brief empfahl sich ein Mister Dubuque zur Reinigung von Schornsteinen.
    Ich spulte nun den Film in Murchisons Kamera zurück, nahm die Kassette heraus und ging hinüber, wo die beiden Frauen nebeneinander auf meiner Couch saßen.
    Tante Elena war rot im Gesicht.
    »Nein!« rief sie, »niemals! Wenn du mit Olivenöl kochst, dann ist das eher billiger als teurer. Die allerfeinsten Speisen kann man

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