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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Fotopapier in den Entwickler schob, stöhnte ich vor Aufregung.
    Der Mann, der da zum Vorschein kam, hieß Tonio Veramonte . Er stand in Murchisons Schlafzimmer und hatte eine Hand am Lichtschalter. Ich hatte mich selbst fotografiert, als ich die Lichtschalter ausprobierte. Der zweite Mann war James, der Diener.
    Die Kamera war mit einem Weitwinkelobjektiv ausgerüstet, so daß sie nahezu das ganze Schlafzimmer erfaßte . Außerdem hatte sie einen automatischen Filmtransport.
    Nun wurde das Mädchen wieder interessant. Ich vergrößerte es auf Postkartenformat heraus. Sie war sehr jung und sah recht appetitlich aus. Man konnte Murchison wirklich alles mögliche vorwerfen, nicht aber einen schlechten Geschmack.
    Zuletzt vergrößerte ich nochmals die Bühnenaufnahmen, und als ich damit fertig war und die Bilder genügend ausgewässert hatte, fing ich an, sie elektrisch zu trocknen.
    Ich war noch nicht ganz fertig, als Tante Elena wieder an die Tür klopfte.
    »He, Tonio, ist das eine Art? Willst du da drinnen übernachten? Komm jetzt endlich zum Essen, die Ravioli sind fertig.«
    Ich war so in meine Arbeit vertieft gewesen, daß ich nicht auf die Zeit geachtet hatte. Ich blickte auf die Uhr und erschrak, als ich sah, daß es schon zwanzig Uhr sieben war. Ich hatte Verna ganz vergessen! Sie war nach Hause gegangen, ohne sich von mir zu verabschieden. Ich hatte schon öfters davon gehört, wie schwer es sei, Frauen davon zu überzeugen, daß ein Mann hin und wieder auch was anderes zu tun hat als sie liebzuhaben. Aber Verna, dachte ich, würde mehr Verständnis haben.
    Ich packte die Filme und die Bilder zusammen und verließ ziemlich geknickt die Stätte meines Wirkens.
    Tante Elena stand noch in der Diele.
    »Himmel noch mal!« brüllte ich sie an. »Du hättest auch schon früher klopfen können! Sonst macht es dir doch auch nichts aus, mich hundertmal bei der Arbeit zu stören, und soviel Zeit, mich von Verna zu verabschieden, hätte ich schon gehabt!«
    Tante Elena war weder wütend noch beleidigt; sie lachte.
    »Sie ist ja noch da.«
    »Sie ist noch da? Sie sagte doch, sie müsse um acht Uhr für ihren Vater...«
    »Sie hat mit ihm telefoniert«, sagte Tante Elena. »Er scheint genauso verrückt zu sein wie du. Er sagte, er wisse nicht, wann er heute nach Hause komme, aber es würde bestimmt sehr spät werden. Ich habe Verna zum Abendessen eingeladen. Sie hat noch nie Ravioli gegessen, und ich finde, an einem Tag wie heute ist es das mindeste, daß man zusammen ißt .«
    »J—ja, ja — natürlich«, gab ich zu. »Aber... aber ich muß leider sofort weg.«
    »Tonio«, sagte sie bekümmert. »Wie viele Stunden arbeitest du täglich?«
    »Zwischen fünfzehn und dreißig Stunden«, sagte ich.
    »Das scheint mir auch. Und wieviel verdienst du pro Stunde?«
    »Durchschnittlich etwa dreißig Cent, grob gerechnet.«
    »Ich glaube nicht, daß du soviel verdienst, oder du verheimlichst es mir. Ich könnte dir ein Taxi kaufen, und wenn du da jeden Tag acht Stunden fährst, kannst du das Fünffache verdienen, sogar das Zehnfache. Ich habe mich erkundigt. Und jetzt komm, die Ravioli sind fertig.«
    Ich ging mit ihr in die Küche. Wir hatten eine nette, hellgrün lackierte Sitzecke in der Küche, wo wir meistens aßen.
    Verna saß schon am Tisch.
    Ich drückte ihr die beiden Filme in die Hand.
    »Sei so gut, Liebling, und nimm sie an dich. Trage sie immer bei dir in der Handtasche und denke daran, daß ich das nächstbeste Mädchen heiraten werde, wenn du sie verlierst. Wenn mir was passiert, gibst du sie deinem Vater, aber vorerst sagst du ihm kein Wörtchen davon.«
    Hierauf gab ich Tante Elena die neuen Abzüge der Bühnenaufnahmen und sagte:
    »Verstecke sie irgendwo in der Wohnung, wo sie niemand finden kann. Selbst wenn jemand das ganze Haus auf den Kopf stellt, darf er sie nicht finden.«
    Die Fotos von dem netten nackten Mädchen legte ich in meine Brieftasche.
    »Was hast du denn da?« fragte Verna und bekam runde Nasenlöcher.
    Ich winkte ab.
    »Es sind Tatortaufnahmen, weißt du, ekelhafte Sachen.«
    »Zeig sie mir!«
    »Das ist nichts für dich, Verna. Du würdest womöglich nicht schlafen können.«
    »Ich will aber gar nicht schlafen«, sagte sie, und ehe ich was unternehmen konnte, hatte sie meine Brieftasche und die Fotos. Sie schaute sie an, gab sie mir zurück und sagte:
    »Ein hübsches Girl. Aber wenn du meinst, ich könne deshalb nicht schlafen, bist du schwer im Irrtum. Und jetzt setz dich endlich

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