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Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Rouzé
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niemand vor uns hier heruntergekommen. Die Krypta wird nur sehr selten besucht. Die Mauer kann schon vor ein paar Monaten eingestürzt sein, und kein Mensch hat etwas davon gemerkt. Zur Zeit arbeiten die Archäologen an einer ganz anderen Stelle der Abtei. Hätten sie diese Treppe näher untersuchen wollen, so hätten sie zuallererst den Schutt wegräumen lassen. Ihr könnt ganz sicher sein: die ersten menschlichen Wesen, die ihren Fuß hierhergesetzt haben, sind wir.“
    „Ruhm und Ehre den Meerkatzen!“ rief Suzanne.
    „Ja, Ruhm und Ehre den Meerkatzen, vorausgesetzt, daß sie wieder hinauf kommen! Sonst wird nie eine Seele von ihrer Heldentat etwas erfahren!“
    „Wir kommen hinauf, Pierre!“ behauptete Suzanne überzeugt. „Sie werden den Mont Saint-Michel nach uns absuchen, sie werden dabei auch die Wendeltreppe hinuntergehen, und dann müssen sie ganz von selber die neue Treppe finden, so gut, wie wir sie gefunden haben!“
    „Schön“, sagte Pierre. „Aber wenn es erst in einem Monat soweit ist, werden wir uns mit dem Nachruhm begnügen müssen.“
    „Warum denn erst in einem Monat!“ protestierte Raymond. „Spätestens heute abend werden Suzannes Eltern anfangen, sich zu beunruhigen, weil ihre Tochter nicht nach Hause kommt, und gleich morgen früh wird die Suchaktion anlaufen.“
    „Und wenn sie nun einfach denken, daß Suzanne bei uns in Courtils geblieben ist? Dann kommen sie gar nicht auf den Gedanken, sie zu suchen.“
    „Was stellst du dir vor, Jean? Meine Eltern wissen ganz genau, daß ich nicht so ohne weiteres mit lauter Jungen zusammen über Nacht wegbleibe und nicht einmal Bescheid sage. Nein, es wird ihnen sofort klar sein, daß mir etwas zugestoßen ist, und morgen in aller Herrgottsfrühe sind sie in Courtils. Da finden sie Michel Grandier und die beiden Brüder Petit und hören von ihnen, daß sie nichts von uns gesehen haben. Selbstverständlich werden sie sofort telefonisch die Eltern von Raymond und Jacques und Pierre benachrichtigen. Alle zusammen werden die halbe Welt in Bewegung setzen. Ihr seht, wir brauchen nichts zu tun, als uns mit Geduld zu wappnen. In spätestens zwei Tagen haben sie uns gefunden.“
    „Und uns mit den herzlichsten Glückwünschen empfangen“, fügte Raymond ironisch hinzu.
    „Ach was!“ sagte Pierre. „Vielleicht wird es gar nicht so schlimm werden. Immerhin haben wir ja eine wichtige archäologische Entdeckung gemacht. Alle Zeitungen werden voll davon sein.“
    „Manche Eltern legen auf archäologische Funde keinen besonderen Wert“, meinte Raymond.
    „Pierre, ich hab’ eine Bitte“, sagte Suzanne. „Nur für einen Augenblick knipse dein Feuerzeug an, ich möchte euch alle rasch mal sehen!“
    Pierre ließ das Feuerzeug aufspringen. Das Flämmchen leuchtete. Die Meerkatzen blickten einander lächelnd an. Ihr Mut war wieder gestiegen. Hätte Pierre sein Feuerzeug ein paar Minuten früher hervorgeholt, so hätte es weit weniger zuversichtliche Mienen enthüllt. Die Dunkelheit hatte ihre jäh aufgestiegene Todesfurcht verborgen gehalten. Aber nun war alles schon leichter. Die Lage war geklärt, die Hoffnung erwachte von neuem. Und jeder von ihnen war stolz, an einer Entdeckung beteiligt zu sein, die von sich reden machen würde …

    Raymond bemächtigte sich energisch des Feuerzeuges und drückte das Käppchen nieder. Das Benzin mußte gespart werden. Aber eben, bevor sie wieder in die Finsternis zurücktauchten, fiel Pierres Blick auf den Brotbeutel an Jeans Seite. Wäre das Flämmchen nicht gerade in diesem Augenblick erloschen, so hätte Pierre, der mit ganz anderen Überlegungen beschäftigt war, wohl kaum Notiz von diesem Brotbeutel genommen, und nie wäre ihm eingefallen, welche Möglichkeiten er in sich barg. Aber das Licht war aus, und Pierre dachte über den Brotbeutel nach …
    „Ich hab’s!“ rief er plötzlich. „Was sind wir doch für Schafsköpfe gewesen! Ich hab’s!“
    „Was hast du? Und warum stellst du so kühne Behauptungen über unsere Intelligenz auf?“
    „Weil wir uns mit der Finsternis so einfach abfinden, obwohl es ganz scheußlich ist, im Dunkeln zu leben. Suzanne hat es uns ja schon prophezeit: unsere Augen sind in Gefahr, immer kleiner und kleiner zu werden. Aber ich habe jetzt das Gegenmittel gefunden.“
    „Was für ein Gegenmittel?“
    „Ganz einfach. Wir setzen das Elektrizitätswerk in Gang!“
    „Du bist ja sehr witzig! Oder verlierst du in diesem Kellerloch schon den Verstand?“
    „Keine Spur.

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