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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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seinem Ziel lagen, erschienen Craymorus auf einmal endlos. Er schloss die Augen und versuchte zu schlafen, doch seine Gedanken ließen ihn nicht los. Er dachte an die Nachtschatten, die wie ein Steppenbrand im Norden Westfalls wüteten, an Syrah, die ihn mehr hasste als je ein Mensch zuvor, und an Mellie. Doch vor allem dachte er an die Stadt der Magier.
    Gegen Mittag hielt die Kutsche an einem kleinen See an. Die Soldaten ließen die Pferde trinken und fressen. Craymorus hörte, wie die Männer redeten und gegen einen Baum urinierten. Es war warm geworden. Die Sonne hing über der Kutsche und heizte sie auf. Ein Geruch nach altem Holz und schwerem Stoff stieg auf wie Nebel aus Wasser. Trotzdem öffnete Craymorus nicht die Vorhänge, noch bat er die Männer, ihm beim Aussteigen zu helfen. Seine Krücken lagen unter ihm auf dem Boden.
    Er hob eine auf und zog damit die Vorratskiste zu sich, die während der Fahrt auf die andere Seite gerutscht war. Ein voller Wasserschlauch lag darin, ein Laib Brot, ein Topf mit Schmalz, ein paar Äpfel und ein Weinschlauch. Er trank ein wenig Wasser. Hunger hatte er nicht. Die Kutsche schaukelte unter ihm, als einer der Soldaten auf den Kutschbock kletterte. Es ging weiter.
    In dem beständigen Halbdunkel schien die Zeit stillzustehen, doch irgendwann konnte Craymorus seine auf der Sitzbank ausgestreckten Beine kaum noch auszumachen. Es wurde Abend.
    Sie schlugen ihr Nachtlager auf einer Wiese neben einem Bach auf. Die Männer saßen rund um das Lagerfeuer auf ihren zusammengerollten Decken. Craymorus, der als Einziger auf einem Stuhl saß, ragte aus ihnen empor. Die Unterhaltungen glitten unter ihm vorbei. Die Männer redeten über Nichtigkeiten, über Huren in der Stadt, über Soldaten, deren Namen ihm nicht vertraut waren, und über ihre Familien. Ab und zu sahen sie zu ihm auf, wandten die Blicke aber gleich wieder ab. Er fühlte sich fremd zwischen ihnen.
    Sie aßen Fische, die einer der Soldaten – ein ehemaliger Fischer namens Kurd – gefangen hatte, dann legten sie sich schlafen. Craymorus schlief in der Kutsche, die anderen unter freiem Himmel.
    Am nächsten Morgen setzten sie die Reise kurz nach Sonnenaufgang fort. Dieses Mal schloss Craymorus die Vorhänge nicht. Er war lange genug allein mit seinen Gedanken gewesen. Sie drehten sich nur noch im Kreis.
    Er ließ sich von der Landschaft ablenken. Bauernhöfe, Felder und kleine Dörfer zogen an ihm vorbei. Der einzige Hinweis auf den Krieg waren die leeren Weiden, auf denen das Gras fast hüfthoch stand. Vor dem Marsch nach Norden hatte Fürst Balderick die meisten Pferde, Kühe und Schafe Westfalls requirieren lassen. Craymorus wusste nicht genug über die Provinz, um einschätzen zu können, ob eine Hungersnot im Winter drohte. Er hätte Garrsy fragen können, doch er bezweifelte, dass der ihm die Wahrheit gesagt hätte.
    Nach einer Weile wurde die Gegend wieder hügeliger und die Dörfer weniger. Bäume standen rechts und links der Straße, und die Kutsche rollte schließlich durch einen Wald. Die Soldaten ritten enger nebeneinander, ihre Unterhaltungen erstarben. Sie wirkten angespannt.
    Craymorus winkte Garrsy heran.
    »Erwartet Ihr Schwierigkeiten, Leutnant?«
    Garrsys Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Nein, mein Fürst. Alles ist friedlich. Macht Euch keine Sorgen.«
    Er klang, als würde er mit einem Kind sprechen. Craymorus ging nicht darauf ein, suchte stattdessen den Wald mit Blicken ab, so wie es auch die Soldaten taten. Die Bäume standen so dicht beisammen, dass kaum Licht durch ihre Kronen drang. Gestrüpp bedeckte den Boden. Craymorus sah einen Ameisenhaufen, der so groß wie eine Kuh war.
    Bis zum Nachmittag hielt die Spannung an, dann lichtete sich der Wald, und die Soldaten nahmen ihre Unterhaltungen wieder auf. Sie wirkten erleichtert. Craymorus war es ebenfalls, auch wenn er nicht wusste, warum.
    Kopfschüttelnd griff er nach einer Schriftrolle, doch im gleichen Moment schrie Kurd, der ehemalige Fischer: »Da!«
    Craymorus ließ die Schriftrolle fallen und sah aus dem Fenster. Kurd galoppierte bereits hinein in den Wald. Er hielt die Zügel mit einer Hand fest. Mit der anderen griff er nach seinem Schwert. Tomas, ein schlacksiger Mann, der Garrsys Vater hätte sein können, folgte Kurd. Craymorus sah ihre Pferde zwischen den Bäumen. Muster aus Schatten und Sonnenstrahlen glitten über ihre Körper und die ihrer Reiter.
    Die Kutsche wurde langsamer.
    »Weiterfahren!« Garrsys Stimme überschlug sich

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