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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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seine Hand hin. Sie war schweißnass, als Ana sie ergriff und sich hochziehen ließ.
    Sie schob sich mit den Beinen zuerst in das Dreieck, das die Balken bildeten. Schilf stach in ihre Haut, eine Taube gurrte. Nungo'was schob sie tiefer in das Dach hinein.
    Es war so eng, dass sie sich nicht umdrehen konnte.
    »Jetzt du«, sagte sie leise.
    Es wurde dunkel, als Nungo'was seine Beine unter das Dach schob. Unten zogen die Soldaten vorbei. Man hörte nichts bis auf den Hufschlag und das Schnauben der Pferde. Die Soldaten schwiegen; keiner von ihnen sprach ein Wort.
    Atemlos warteten Ana und Nungo'was, bis der Hufschlag verklungen war. Es wurde hell, als er sich schließlich aus dem Giebel schob und nach unten kletterte. Ana folgte ihm langsamer und vorsichtiger.
    »Sie peitschen die aus, die sie erwischen«, flüsterte er, als sie wieder auf dem Pflaster standen. »Sie sind sehr streng.«
    Lauschend blieb er stehen, dann nickte er. »Komm.«
    Die Straße schien nicht enden zu wollen. Vollkommen gerade zog sie sich durch die Stadt. Gassen und kleinere Straßen, die ebenso gerade verliefen, kreuzten sie.
    Ana schätzte, dass sie mehr als eine Stunde gelaufen waren, als Nungo'was plötzlich nach vorn zeigte. »Da ist es, das Haus hinter der Mauer.« Er sah Ana an. Seine Hand berührte ihren Arm. »Weiter werde ich dich nicht begleiten.«
    Sie legte ihre Hand auf die seine. »Ich danke dir, und ich wünsche dir viel Glück. Leb wohl.«
    Seine Hand blieb auf ihrem Arm liegen. Er beugte sich vor. Ana befürchtete, er wolle sie küssen, doch er lächelte nur, als ahne er, was in ihr vorging, und zog seine Hand zurück.
    »Hoffnung«, sagte er.
    »Hoffnung«, sagte Ana.
    Sie sah ihm nach, bis er in eine kleinere Straße einbog. Einen Moment lag wünschte sie sich, sie könne ihm folgen, einfach in der Bedeutungslosigkeit seiner kleinen Welt verschwinden, als habe es Ana Somerstorm nie gegeben.
    Doch dann drehte sie sich um. Dieses Leben wäre nicht das ihre gewesen.
    Die Mauer schien das gesamte Anwesen einzuschließen. Fackeln, die in Halterungen steckten, erleuchteten lange Eisenspitzen. Vier Männer, die Uniformen, Umhänge und glänzende Helme trugen, patrouillierten davor auf und ab wie Pfaue. Erst als Ana näher kam, sah sie die Sklaventätowierungen auf ihren Wangen.
    Einer der Wachposten richtete seinen Speer gegen sie, als er sie sah. »Hau ab!«
    Die anderen beachteten sie kaum.
    Ana blieb stehen. »Ich muss mit eurem Herrn sprechen. Es ist wichtig.«
    »Das bezweifle ich«, sagte einer der anderem Wachsoldat. Er war älter und hielt sich aufrecht wie ein Offizier.
    Ana spürte, dass er entweder das Kommando über die anderen hatte oder zumindest glaubte, es verdient zu haben. Sie wandte sich an ihn. »Geh zu deinem Herrn. Sag ihm, Erys aus Srzanizar wolle ihm ein Geschäft vorschlagen.«
    Er runzelte die Stirn. »Für wie dumm hältst du mich? Du bist nicht Erys.«
    Ana machte einen Schritt auf ihn zu. Die Straße war leer.
    Niemand außer den Männern vor der Mauer konnte sie hören. »Nein. Ich bin Ana Somerstorm, und dein Herr wird sehr wütend werden, wenn du mich wegschickst.«
    Er blinzelte. Sie wartete. Der Name war alles, was sie hatte. Es gab keinen Beweis für ihre Worte, und die Einzigen, die für sie hätten sprechen können, befanden sich auf dem Schiff vor den Toren der Stadt.
    »Warte hier«, sagte er nach einem Moment. Dann drehte er sich um und verschwand durch eine kleine Holztür in der Mauer.
     
     
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Tür wieder öffnete. Der Wachposten trat heraus und nickte Ana zu. »Kommt«, sagte er.
    Ana folgte ihm in einen großen Innenhof. Ein weißes Zelt war an einer Seite aufgebaut. Darin war es hell, Schatten glitten über die Wände. Ein Dutzend Käfige standen in einer Reihe an der Mauer. In den meisten saßen oder lagen Menschen. Es gab einen steinernen Brunnen in der Mitte des Hofs. Bewaffnete Wachen standen um ihn herum und warfen Ana gelangweilte Blicke zu. Die Menschen in den Käfigen sahen noch nicht einmal auf. An den Käfigen hingen Holzschilder, auf die mit Kreide aufgemalt ihr Bestimmungsort zu lesen war. Als Ana an ihnen vorbeiging, sah sie, dass die meisten für Westfall bestimmt waren. Die anderen Orte kannte sie nicht. Sie nahm an, dass sie im Süden lagen.
    Das Haus, das am Innenhof abschloss, war vier- oder fünfmal so groß wie die, die sie in den Straßen gesehen hatte. Es wirkte wie das Anwesen eines wohlhabenden Mannes, aber nicht wie das

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