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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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verschwommen wie die Nacht. »Hier lang«, flüsterte er. Mit einer Hand tastete er sich an der Mauer entlang. Seine andere hielt Ana. Es war kein fester Griff. Sie war sicher, dass sie sich jederzeit hätte losreißen können, wenn sie es gewollt hätte.
    Nungo'was ließ sie los, blieb stehen und bog die Äste eines Strauchs auseinander, der fast bis an die Mauer wuchs. Er verschwand darin. Ana hörte, wie er mit den Händen im Dreck scharrte, dann klirrte etwas leise. Es klang wie eine Kette. Er tauchte wieder aus dem Strauch auf und nickte. Ana folgte ihm hinein.
    »Komm«, sagte Nungo'was leise. Im ersten Moment sah es aus, als würde er in die Hocke gehen, doch dann sah Ana die offene Falltür im Boden. Die Blätter und Äste des Strauchs überwucherten sie. Ausgetretene Steinstufen führten nach unten.
    Sie tastete sich an den Wänden entlang, spürte Steine unter den Fingerkuppen. Sie waren kalt und feucht. Der Gang, in dem die Stufen endeten, war so niedrig, dass Ana sich nur auf Händen und Knien fortbewegen konnte. Nur wenig später hörte sie etwas klirren, dann strich eine Brise über ihr Gesicht und die feuchten Haare. Vier Stufen führten nach oben, und nur ein paar Herzschläge später stand Ana in einem winzigen Bretterverschlag.
    Nungo'was schloss die Falltür hinter ihr und zeigte auf einen Lumpen, der zwischen Werkzeug an der Wand hing.
    »Trockne dich ab, damit wir nicht so auffallen.«
    Ana nahm den Lumpen. Er roch verschimmelt. Widerwillig rieb sie sich die Haare damit ab. »Was ist das für ein Gang?«
    Nungo'was schüttelte sich das Wasser aus den Haaren. »Wir nennen ihn den Sklavenweg. Jeder Sklave in der Stadt weiß, dass es ihn gibt, aber nur wir Fährschiffer wissen, wo. Das Geheimnis bewahren wir seit Generationen.«
    »Ich werde es nicht verraten«, versprach Ana. Sie hing den Lappen zurück an seinen Haken. »Weißt du, wo Ogivers lebt?«
    »Der Sklavenhändler? Ja, er ist sehr bekannt hier.«
    »Bringst du mich zu ihm?«
    Ana sah die unausgesprochene Frage auf seinem Gesicht.
    »Ich brauche seine Hilfe«, sagte sie.
    »Dann hoffe ich, dass er auch deine braucht.« Nungo'was öffnete die Tür des Verschlags. »Orgivers hilft nur sich selbst.«
    Seine Worte gingen im Quietschen der Türangeln beinahe unter. Er trat hinaus und nickte Ana zu. »Komm.«
    Der Verschlag lehnte schräg an der Stadtmauer. Ein kleiner Gemüsegarten lag davor. Ein niedriger Zaun aus Brettern und Schlingpflanzen trennte ihn von ähnlichen Gärten auf beiden Seiten. Ana drehte sich zur Mauer um. Sie sah keine Soldaten, nur einen überdachten Wachgang und zwei Türme.
    Sie folgte Nungo'was durch ein Gatter auf einen Weg. Die Stadt war ruhig. Die Musik, die sie noch auf dem Schiff gehört hatte, war verstummt. Ihre Schritte hallten über das Kopfsteinpflaster. Es klang, als könne man sie bis auf den Fluss hören.
    Sie bogen in eine größere Straße ein. Häuser standen auf beiden Seiten. Sie waren aus Stein, zwei Stockwerke hoch und hatten schilfgedeckte Dächer. Hinter manchen Fenstern brannten Kerzen, aber die meisten waren dunkel. Ana hörte keine Stimmen, kein Lachen, Weinen oder Gebell. Es war, als wollten sich die Häuser einem unsichtbaren General in ihren Straßen präsentieren.
    »Wieso ist es so still?«, fragte Ana. Sie flüsterte unwillkürlich.
    Nungo'was antwortete ebenso leise. »Nach Mitternacht darf niemand das Haus verlassen oder laut sein. Die Leute hier wollen das so.«
    »Warum?«
    »Weiß ich nicht.« Nungo'was blieb stehen und lauschte in die Dunkelheit hinein. »Soldaten«, flüsterte er. Seine Stimme klang panisch. Er wich bis an die Häuserwände zurück.
    Im gleichen Moment hörte Ana dumpfen Hufschlag. Sie sah sich um. Sie konnten nicht zurück zu der Gasse laufen, aus der sie gekommen waren. Die Soldaten hätten ihre Schritte gehört. Es gab keine Abzweigungen in der Nähe und keine Zwischenräume, in denen sie sich hätten verbergen können. Die Häuser bildeten zu beiden Seiten eine Mauer.
    Ihr Blick glitt nach oben, dorthin, wo die Balken der Häusergiebel kleine Dreiecke unter dem Schilf bildeten. Sie ergriff Nungo'was' Hand und zog ihn mit sich, kletterte auf ein Fensterbrett und zog sich nach oben. Ihre Finger fanden Halt im Mörtel zwischen den Steinen.
    Nungo'was kletterte an ihr vorbei. Er war schneller als sie und geschickter. Ana folgte ihm. Ihr Herz schlug so laut, dass sie den Hufschlag nicht mehr hören konnte. Nungo'was hatte den Giebel bereits erreicht und hielt ihr

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