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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ausreichen, um eine Flucht zu verhindern.
    »Warum sind das alles Frauen?«, fragte Ana leise.
    Nungo'was hob die Schultern. »Ich habe viele Geschichten über sie auf dem Fluss gehört. Es heißt, sie seien die Witwen und Töchter von Kriegern, die für den Roten König gefallen sind. Sie beherrschen fast die ganze Stadt. Die Wachen haben ihnen nichts entgegenzusetzen. Es gibt noch ein paar andere Banden rund um den Hafen, aber die Todesmasken sind die größte von allen.«
    »Todesmasken?«, fragte Merie. Sie kniete ein wenig entfernt von Ana auf dem sandigen Boden und beobachtete die Wachen. Sie trug einen Schal um den Hals, obwohl es nicht kalt war. In den Fingern hielt sie einen Zweig, den sie unablässig drehte.
    »So heißen sie hier, aber sie haben natürlich noch andere, weniger freundliche Namen.« Nungo'was grinste. Seine Zähne waren grün. Er sagte, das käme von den Algen, die Matrosen auf dem Wasser aßen.
    Merie senkte den Blick. »Sie machen mir Angst. Unser Priester hat gesagt, dass die Götter Frauen verfluchen, die Leben nehmen, anstatt es zu geben.«
    »Dann hoffe ich nur, dass der Fluch schnell wirkt und sie alle tot umfallen, bevor sie mich in den Süden schicken.« Nungo'was grinste nicht mehr. Mit einem Ruck riss er die Wurzeln einer kleinen Pflanze aus dem Boden.
    Merie schüttelte den Kopf. »Sie werden dich bestimmt nicht in den Süden schicken. Du bist doch ein großer, starker Mann.«
    Nungo'was grunzte nur und warf die Pflanze hinter sich.
    »Das bist du. Du wirst bestimmt in den Norden kommen, vielleicht sogar nach Westfall. Du wirst die Stadt sehen und die Ruinen der Vergangenen und …«
    »Merie.« Ana legte dem Mädchen eine Hand auf den Arm. »Hör auf. Er ist Matrose. Niemand wird ihn kaufen, weil er Unglück bringt.«
    Nungo'was spuckte aus. Sein Speichel hinterließ dunkle Flecken auf dem Boden. »Kaufst einen Sklaven du vom Fluss«, zitierte er dann, »ist mit Freud und Wohlstand Schluss.«
    »Aber warum bringt er Unglück?«
    »Es ist einfach so, Merie. Und jetzt sei still und arbeite weiter.« Ana warf dem Mädchen einen warnenden Blick zu.
    Merie zögerte einen Moment, dann nickte sie. »Ja, Penya.«
    Schweigend arbeiteten sie weiter. Ana sah immer wieder auf, versuchte sich ihre Umgebung so gut wie möglich einzuprägen. Die Mauern waren hoch, aber an einer Stelle lehnte ein kleiner Schuppen am Stein, in dem einige Fässer standen. In Gedanken stand sie auf, lief durch die Beete, kletterte über das Regenfass auf die Mauer und sprang in die Freiheit. Doch dann glitt ihr Blick zurück zu den Banditinnen und den Speeren, die neben ihnen am Boden lagen. Kein Mensch konnte schneller laufen, als ein Speer flog.
    Jonan könnte es. Der Gedanke war plötzlich da, ebenso unerwartet wie unerwünscht.
    »Ich weiß es!« Meries Stimme ließ Ana zusammenzucken. Das Mädchen sah Nungo'was an. »Wenn mein Vater das Lösegeld für mich bringt, soll er für dich mitbezahlen. Dann bist du auch eine Geisel und kein Sklave, und niemand wird dir etwas tun.«
    Nungo'was wischte sich mit einer Hand den Schweiß aus dem Gesicht. Dreck hinterließ dunkle Striemen auf seiner Stirn. »Das ist eine gute Idee«, sagte er dann, »und sehr großzügig von dir.«
    Merie errötete und beugte sich über das Unkraut vor ihren Knien. Der Schal – eigentlich nur ein schmutziges Stück Stoff, das sie sich um den Hals gewickelt hatte – rutschte nach unten. Ana bemerkte den dunklen Umriss darunter.
    »Hast du dich verletzt?«, fragte sie.
    »Was?« Merie tastete nach ihrem Hals. »Nein, das nicht. Es ist ein … ein Mal. Ich kann es nicht leiden. Es ist hässlich.«
    Sie zog den Schal wieder hoch, so als wolle sie etwas Unanständiges bedecken.
    »So schlimm ist es doch nicht«, sagte Ana leichthin.
    Merie schüttelte den Kopf. »Nein, es ist ein Fluch. Der Priester hat das gesagt.«
    »Was wissen die Priester schon?« Nungo'was zog mit beiden Händen an einer Wurzel, die tief im Boden steckte. Er grunzte vor Anstrengung, stand aber nicht auf. »Auf dem Wasser braucht man keine Priester. Wir haben den Fluss, er gibt uns alles, was ein Mensch begehren könnte. Nahrung, Wasser, süße Träume in der Nacht, das ist mehr als genug für uns. Wenn du willst, nehme ich dich eines Tages mal …«
    Er unterbrach sich, drehte den Kopf und blinzelte, als habe er einen Moment lang vergessen, wo er war.
    »… mit«, flüsterte er. Ana sah Tränen auf seinen Wangen.
    »Außerdem«, sagte sie rasch, um Merie von ihm

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