Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
übermenschlich.
    Du solltest Wert auf das Aussehen deiner Eskorte legen. Erys' Worte hallten in ihr nach, berührten etwas in ihr, brachten sie dazu, die Zügel lockerer zu fassen und sich dem Rhythmus der Gruppe hinter den Karren anzupassen. Die Furcht blieb, aber etwas anderes kam hinzu, das sie nicht genau bestimmen konnte.
    Verantwortung , dachte sie, Stolz. Erys hatte ihr Untertanen gebracht, und eine Fürstin verließ ihre Untertanen nicht.
    »Du wirst das alles lernen«, sagte Erys. Sie schien Anas Gedanken erraten zu haben. »Ich werde dir dabei helfen.«
    Schweigend ritten sie weiter und näherten sich dem Großen Fluss. Nach und nach wurde es eng auf dem Weg. Als sie das Ende des Hügels erreichten und in eine der breiten Gassen, die zum Hafen führten, abbiegen wollten, blieben die Karren stehen.
    Ein Strom von Menschen schob sich an ihnen vorbei. Die meisten trugen Säcke und Kisten, schoben Handkarren mit Möbeln oder Kranken vor sich her. Wer nichts trug, hatte die Arme vor dem Körper angewinkelt, um ein wenig Platz zwischen sich und dem Rücken der Person zu schaffen, die vor ihm ging.
    Es wurde kaum gesprochen. Nur ab und zu rief jemand einen Namen oder fluchte. Einige Kinder weinten.
    Ana sah keine Verletzten. Sie fragte sich, ob die Menschen nur vor dem Feuer flohen und gar nichts von den Nachtschatten ahnten.
    Die beiden Todesmasken, die vor dem Karren ritten, drehten sich in ihren Sätteln um und breiteten die Arme in einer hilflosen Geste aus. Mit den Karren konnten sie sich nicht in den Strom der Flüchtlinge einreihen, ohne Menschen niederzutrampeln.
    Neben Ana antwortete Erys ihnen mit einigen knappen Handzeichen. Die Frauen zögerten einen Moment, dann nickten sie und griffen nach den Speeren, die sie in Schlaufen auf dem Rücken trugen. Ihre Pferde wieherten, als sie von Fersentritten in die Menge getrieben wurden.
    Menschen wichen zurück, wurden von den Nachkommenden wieder nach vorn gedrängt. Schreie, eher wütend als verängstigt, brandeten in der Gasse auf wie ein plötzlicher Wind.
    Mit den stumpfen Enden ihrer Speere trieben die Reiterinnen die Menge zurück. Die Gefangenen richteten sich in ihren Käfigen auf, soweit es ging, legten die Köpfe schräg, um sehen zu können, was sich vor ihnen abspielte.
    »Trampelt das Pack nieder!«, brüllte ein dicker nackter Mann mit Backenbart. Er hatte die Hände so fest um eine Käfigstange gelegt, dass es aussah, als wolle er sie erwürgen.
    »Genau!«, schrie einer der Stadtwachen. »Stecht sie ab, wenn sie nicht weichen wollen!«
    Sie schienen vergessen zu haben, dass sie Gefangene waren, dass die Bande der Todesmasken sie in die Sklaverei führen würde. Für diesen einen Moment standen sie alle auf einer Seite.
    Die Karren setzten sich wieder in Bewegung, nutzten die Lücke, die Pferde und Speere geschaffen hatten. Ana folgte ihnen an Erys' Seite. Ihr Blick glitt über verkniffene Gesichter und Augen, in denen Wut und Angst flackerten. Wenn die Todesmasken eines Tages zurückkehrten, würde man sie in Srzanizar wohl kaum willkommen heißen.
    Vor Ana trieben die Reiterinnen die Menge weiter auseinander, schufen Freiräume, in die die Karren hineinglitten wie Boote ins Wasser. Und dann endlich sah sie den Hafen. Er lag hinter einer Reihe hölzerner Warenlager. Fackeln erhellten Stege, die sich weit in den Fluss schoben. Sie waren voller Menschen. Fischerboote stießen sich davon ab und führen an im Wasser treibenden Stühlen vorbei auf den Großen Fluss hinaus. Ana sah eine Kuh, die dem Ufer entgegenschwamm, und Händler, die auf Fässern stehend Plätze auf den Fährschiffen anboten.
    Trotz des Einsatzes der Speere kamen die Ochsenkarren mit den Gefangenen kaum noch weiter. Die Reiterinnen drückten die Flüchtlinge mit den Körpern ihrer Pferde zur Seite, doch auch das half kaum. Ana stellte sich in den Steigbügeln auf und sah über die wogende Menge hinweg zu den Fähren. Es handelte sich um ein halbes Dutzend mehrstöckiger Schiffe. Die Fahnen, die von ihren Masten wehten, zeigten an, welche Städte sie anliefen. Ana erkannte die Farben Westfalls und die von Charbont.
    In quälender Langsamkeit näherten sie sich den Flussschiffen. Immer wieder richtete sich Ana im Sattel auf. Das Mondlicht reichte aus, um zu erkennen, wie voll die Schiffe bereits waren, und es wurden immer mehr Waren und Menschen darauf verladen.
    Ana blickte zurück. Der Wind wehte schwarzen Rauch in die Stadt. Feuerschein ließ das Licht der Sterne verlöschen.

Weitere Kostenlose Bücher