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Der verzauberte Turm

Der verzauberte Turm

Titel: Der verzauberte Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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nachließ. Als sie später das schale, vertrocknete Brot aßen, das von ihrem Proviant übriggeblieben war, sagte er:
    »Ich schmecke überhaupt nichts mehr. Das Mittel wirkt.«
    Elric nickte. Er hatte die Stirn gerunzelt und blickte in der Dämmerung den Hügel hinauf - in die Richtung, in der die Stadt lag - Mondmatt nahm seine Schwerter heraus und begann sie mit dem kleinen Wetzstein zu schärfen, den er zu dem Zweck stets bei sich trug. Dabei beobachtete er Elrics Gesicht und versuchte Elrics Gedanken zu erraten.
    Endlich sagte der Albino: »Wir müssen die Pferde hier natürlich zurücklassen, denn die meisten Bettler haben damit nichts im Sinn.«
    »Diese Halunken sind in ihrer Perversität von großem Stolz«, murmelte Mondmatt.
    »Ja. Nun brauchen wir die Lumpen, die wir mitgebracht haben.«
    »Man wird unsere Schwerter bemerken.«
    »Nicht, wenn wir über allem weite Roben tragen. Natürlich müssen wir dann steifbeinig gehen, aber das ist bei einem Bettler nichts Ungewöhnliches.«
    Widerstrebend holte Mondmatt die Lumpenbündel aus den Satteltaschen.
    So kroch schließlich ein leidlich verschmutztes Paar, der eine gekrümmt humpelnd, der andere klein, aber mit verdrehtem Arm, durch den Unrat, der die Stadt Nadsokor knöcheltief umgab. Ihr Ziel war eine der zahlreichen Lücken in der Mauer.
    Nadsokor war vor mehreren Jahrhunderten von einem Volk aufgegeben worden, das vor einer besonders schlimmen Pockenseuche floh, welche die Bewohner der Stadt beinahe ausgerottet hatte. Kurze Zeit später hatten sich die ersten Bettler hier niedergelassen. Seither war nichts getan worden, um die Wehranlagen der Stadt zu pflegen, und inzwischen war der Müll am Außenrand der Stadt als Schutz so wirksam wie jede Mauer.
    Niemand sah die beiden Gestalten, die durch den Dreck wateten und die dunklen verschmutzten Straßen der Stadt der Bettler erreichten. Riesige Ratten hoben sich auf die Hinterbeine und beobachteten die beiden, die sich zum ehemaligen Senatsgebäude von Nadsokor durchschlugen, das jetzt als Urishs Palast diente. Abgemagerte Hunde, denen Abfall aus dem Maul baumelte, verschwanden vorsichtig in den Schatten. Einmal suchte sich eine kleine Kolonne Erblindeter einen Weg durch die Nacht; jeder hatte die rechte Hand auf die Schulter des Vorausgehenden gelegt - sie kamen dicht an Elric und Mondmatt vorbei. Aus einigen zerfallenen Gebäuden tönte Kichern und Keckern - dort feierten die Verwachsenen mit den Entstellten und den Verkrüppelten groteske Orgien, und die Degenerierten und Verseuchten bestiegen ihre Frauen. Als sich das verkleidete Paar dem früheren Forum der Stadt näherte, gellte ein Schrei aus einer schiefen Toreinfahrt, und ein junges Mädchen, kaum in der Pubertät, eilte heraus, verfolgt von einem ungemein dicken Bettler, der sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf seinen Krücken bewegte, wobei seine roten Beine, die an den Knien endeten, zappelnde Laufbewegungen machten. Mondmatt erstarrte, doch Elric hielt ihn zurück, als der dicke Krüppel sein Opfer einholte, die Krükken fortwarf, die auf das zersplitterte Pflaster klapperten, und sich keuchend über das Kind warf.
    Mondmatt versuchte sich aus Elrics Griff zu befreien, doch der Albino flüsterte: »Laß nur. Wer an Geist, Verstand, Körper oder Seele gesund ist, hat in Nadsokor nichts zu suchen.«
    Tränen standen in Mondmatts Augen, als er seinen Freund ansah: »Dein Zynismus ist so widerlich wie die Dinge, die hier passieren!«
    »Zweifellos. Aber wir sind nur wegen einer Sache hier - den gestohlenen Ring der Könige zurückzuholen. Das werden wir tun - nichts anderes.«
    »Was kommt es darauf an, wenn...?«
    Aber Elric setzte seinen Weg zum Forum bereits fort, und Mondmatt folgte ihm nach kurzem Zögern.
    Jetzt standen sie auf dem Platz und betrachteten Urishs Palast auf der gegenüberliegenden Seite. Einige Säulen waren eingestürzt, doch immerhin war wenigstens an diesem Gebäude der Versuch gemacht worden, die Baumasse zu restaurieren und zu schmücken. Der Bogengang des Haupteingangs war mit primitiven Darstellungen aller Bettelund Erpressungskünste verziert. Muster der Münzen aller Jungen Königreiche waren in die Holztür gedrückt worden, und darüber war, vielleicht in einer ironischen Anwandlung, ein Paar Holzkrücken festgenagelt, gekreuzt, wie man Schwerter an dieser Stelle gekreuzt hätte, ein Hinweis, daß die Waffen des Bettlers seine Fähigkeit waren, jene, die besser gestellt waren als er, zu entsetzen und

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